Noble House 02 - Gai-Jin
Nachricht von Katsumatas Tod und Meikins Selbstmord erreichte Raiko an diesem Nachmittag. Sie fiel in Ohnmacht. Als sie sich allmählich wieder erholte, schickte sie eine Dienerin, um Hiraga zu bitten, sofort Akimoto und Takeda zu holen, es gäbe schlimme Nachrichten. Alle drei kamen rasch. Ohne sich ihrer Tränen zu schämen, erzählte sie ihnen händeringend von Katsumatas Tod und dem von Meikin, Koikos Mama-san, erwähnte aber nicht, daß sie ihn verraten hatte. »Das ist das Ende… wenn Yoshi das mit Katsumata und Meikin herausgefunden hat, dann weiß er auch von mir und von Ihnen. Wir sind alle verraten worden. Wer ist der Verräter? Es ist nur eine Frage der Zeit…« Wieder stieg das Entsetzen in ihr hoch. »Sie alle müssen sofort gehen, ehe die Häscher Sie entdecken… Sie müssen gehen…«
»Halt!« zischte Hiraga mit kreidebleichem Gesicht. Er konnte nicht glauben, daß der Sensei sich lebend hatte fangen lassen. Baka, lebendig gefaßt zu werden! »Lassen Sie uns allein, Raiko. Wir sprechen uns später.«
»Danke, Herr, tut mir leid, aber…«
»Gehen Sie!«
Sie stolperte davon, haßte alle Shishi, war aber klug genug, diesen Haß nicht zu zeigen.
Wütend spuckte Takeda aus. »Katsumata muß gerächt werden!«
Akimoto sah Hiraga an; auch ihm war übel. »Was sollen wir tun, Cousin? Dieses alte Weib hat recht, die Suche wird verstärkt werden. Wir sollten uns heute nacht davonmachen oder es wenigstens versuchen.«
»Du bist baka! Wir sind eingekreist wie Ratten an einem Kadaver.« Obwohl er den Wütenden spielte, zitterte Hiraga innerlich vor Erleichterung. Da Katsumata tot war, brauchte der Angriff nicht stattzufinden. Er hatte sein eigenes Schicksal wieder in der Hand. »Wir dürfen keinen Fehler machen.«
»Ich finde auch, daß wir hier wie Ratten in der Falle sitzen«, meinte Takeda. »Greifen wir also an, wie der Sensei es geplant hatte. Wir haben jetzt die Bomben. Sonno-joi!«
»Nein. Für den Augenblick sind wir sicher.«
»Hiraga«, gab Akimoto zu bedenken, »wenn Yoshi Katsumata dieser Meikin ausgeliefert hat, dann war das eine Belohnung, neh? Dafür, daß sie ihn verraten hat. Raiko wird mit uns dasselbe tun. Vielleicht ist sie überhaupt die Verräterin, die die beiden an Yoshi verraten hat, neh?«
Takeda rappelte sich auf. »Bringen wir sie um und fangen an.«
»Setz dich!« herrschte Hiraga ihn an. »Wir brauchen Raiko. Sie hat in der Vergangenheit ihren Wert bewiesen, und du vergißt, daß keiner Mama-san ganz zu trauen ist. Setz dich, Takeda, denk logisch. Sie wird uns nicht verraten – sie ist nur eine geldgierige alte Vettel wie jede andere Mama-san und würde dir, wenn man sie ließe, den Preis einer Hure dritten Ranges berechnen, wenn das Mädchen nur eine Straßendirne und kaum einen Kupfer- momme wert ist. Meikin hat uns in der Vergangenheit gute Informationen gegeben, ihretwegen haben wir Utani geschnappt. Sie selbst wurde verraten. Yoshi und die Bakufu haben Tausende von Spionen.«
»Wir sind hier nicht sicher.« Akimoto schauderte. »Ich hasse diesen Ort. Diese Gai-Jin-Yoshiwara ist mit deren Seuche infiziert, ich stimme Takeda zu. Angreifen und entkommen oder sterben.«
»Noch nicht. Laßt mich nachdenken!«
Takeda beobachtete ihn aufmerksam. »Kanntest du diese Meikin?«
»Vor vielen Jahren…« Beinahe hätte Hiraga hinzugefügt: und Koiko auch. Er war versucht, ihnen von dem wirklichen Grund für den Verrat zu erzählen, entschied sich aber dagegen, da er die Art und Weise von Katsumatas Tod guthieß. Jetzt ist Sumomo gerächt, und Koiko auch, jetzt werden ihre Geister Kami werden, oder sie werden am ersten Tag wiedergeboren, wie es die Götter beschließen – wenn es denn Götter gibt, jetzt kann ich sie vergessen, obwohl sie alle ewig leben werden.
Der Sensei, der um Gnade bittet? All diese Jahre war er unser Idol, und wir haben auf ihn gehört. Wir waren Dummköpfe, dachte er angewidert. Macht nichts, dieser Feigling wird in unseren Erzählungen verächtlich gemacht und bespuckt werden, und bald werden Sänger und Theaterstücke die Geschichte ausschmücken, wie er Sumomo und Koiko betrog, und die Rache der Mama-san schildern. Ach, wieviel Stil sie hatte!
Unwillkürlich kicherte er nervös und imitierte die hohe Stimme eines omagaki – eines Schauspielers, der sich auf weibliche Rollen spezialisiert hat, da nur Männer die Bühne betreten dürfen. »›Ein Bad und saubere Kleider. Bitte?‹ Kabuki- und Puppentheater werden damit generationenlang Häuser
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