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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Feierlich geleiteten sie die Japaner in den großen Audienzsaal und suchten dabei ihre Belustigung über deren exotische Kostümierung zu verbergen: kleine, schwarzlackierte Hüte, die quer auf den kahlrasierten Schädeln saßen und kunstvoll unter dem Kinn verknotet waren, breitschultrige Übermäntel, bunte, traditionelle Seidenkimonos, voluminöse Pantalons, Riemensandalen und zwischen den Zehen geteilte Schuhsocken – tabe –, Fächer und die unvermeidlichen beiden Schwerter im Gürtel. »Diese Hüte sind nicht mal groß genug zum Reinpissen«, stellte der Russe fest.
    Sir William saß mit den Gesandten in der Mitte einer Reihe von Stühlen, Phillip Tyrer an einem Ende. Die Bakufu nahmen die gegenüberliegende Stuhlreihe ein, die Dolmetscher hockten auf Kissen dazwischen. Nach einer längeren Diskussion einigten sie sich auf jeweils fünf Wachen, die hinter ihren Herren standen und einander argwöhnisch begutachteten.
    Dem strengen Protokoll gemäß stellten sich die Gegner selbst vor. Toranaga Yoshi kam als letzter: »Tomo Watanabe, unterer Beamter zweiter Klasse«, sagte er mit vorgetäuschter Bescheidenheit und nahm den untersten Platz am Ende der Reihe ein. Auch seine Kleidung war weniger prächtig als die der anderen, die, genau wie alle Wachen, unter Androhung strenger Strafe den Befehl erhalten hatten, ihn hier als den unbedeutendsten der fünf Beamten zu behandeln.
    Mit einem seltsamen Gefühl nahm er Platz. Wie häßlich diese Feinde doch sind, dachte er, wie albern und lächerlich mit ihren hohen Hüten, den exotischen Stiefeln und den schweren schwarzen Kleidern – kein Wunder, daß sie stinken!
    Sir William begann sehr behutsam und mit schlichten Worten: »Ein Engländer wurde von Satsuma-Samurai ermordet…«
    Um fünf Uhr waren die Europäer mit ihren Nerven fast am Ende, die Japaner dagegen noch immer höflich, lächelnd, nach außen hin unerschütterlich. In immer wieder anderer Form behauptete ihr Sprecher, daß… Verzeihung, Satsuma nicht in ihre Zuständigkeit falle, sie nichts über die Mörder wüßten und auch keine Möglichkeit hätten, sie zu suchen, daß es in der Tat eine bedauerliche Angelegenheit sei, sie aber nicht wüßten, wie man eine Entschädigung erzielen könne, daß unter bestimmten Umständen in der Tat um Entschädigung nachgesucht werden könne, daß aber der Shōgun nicht zu erreichen sei, daß der Shōgun bei seiner Rückkehr in der Tat gern eine Audienz gewähren werde, aber nicht in der voraussehbaren Zukunft, daß sie in der Tat sofort ein genaues Datum erbitten würden, aber nicht in diesem Monat, weil sein gegenwärtiger Aufenthaltsort nicht genau bekannt sei, daß es in der Tat so bald wie möglich sein werde, die nächste Verhandlung und überhaupt alle Verhandlungen aber nicht in Edo stattfinden könnten, in Kanagawa ja, aber Verzeihung, nicht in diesem Monat, vielleicht im nächsten, aber Verzeihung, wir sind nicht befugt…
    Jeder Punkt mußte vom Englischen über das Holländische ins japanische übersetzt, dann von ihnen ausgiebig diskutiert werden, damit die Antwort anschließend peinlich genau wieder ins Holländische und Englische übersetzt werden konnte – mitsamt der unvermeidlichen Moralpredigt und überaus höflich vorgetragenen Bitten um Erklärung auch für die belanglosesten Fragen.
    Yoshi fand das ganze Verfahren höchst interessant, denn bisher hatte er Gai-Jin noch nie in größerer Zahl gesehen oder an Verhandlungen teilgenommen, bei denen Unebenbürtige erstaunlicherweise über Verfahrensweisen diskutierten, statt zuzuhören und zu gehorchen.
    Drei der anderen vier waren echte, wenn auch unwichtige Bakufu-Beamte. Alle hatten, wie es beim Umgang mit Ausländern üblich war, falsche Namen benutzt. Der Hochstapler, der heimlich Englisch sprach, saß neben Yoshi. Sein Name war Misamoto. Yoshi hatte ihm befohlen, sich alles zu merken, ihm verstohlen alles mitzuteilen, was von Belang und nicht richtig übersetzt worden war, ansonsten aber den Mund zu halten. Er war ein Verbrecher, dem die Todesstrafe drohte.
    Als Yoshi ihn zwei Tage zuvor holen ließ, hatte sich Misamoto zitternd vor Angst vor ihm zu Boden geworfen.
    »Steh auf und setz dich da drüben hin.« Mit dem Fächer deutete Yoshi auf den Rand der Tatami-Plattform, auf der er saß. Misamoto gehorchte eilig. Er war ein kleiner Mann mit Schlitzaugen und langem, grauem Haar, dem der Schweiß übers Gesicht lief. Seine Kleidung war grob und fast völlig zerlumpt, die Hände schwielig, die

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