Noch ein Kuss
die schöne Zeit im Bett gegangen war. Angesichts ihrer inneren Ängste war das eine furchtbare Vorstellung. Also würde er das bisschen Zeit, das ihnen noch blieb, darauf verwenden, ein paar verpasste Wochen voller intensiver Gespräche in eine einzige Nacht zu pressen.
Er holte tief Luft. »Ich interessiere mich für dich – und alles, was mit dir zu tun hat.«
»Wirklich?«
Mike warf ihr einen Blick zu, der strafend sein sollte.
»Tut mir leid«, murmelte Carly.
»Das sollte es auch.« Er legte einen Arm um ihre Schulter. »Wieso zweifelst du immer noch an mir?«
Carly strich sich die Ponyfransen aus den Augen. Die Geste war ihr zur zweiten Natur geworden und Mike so vertraut, dass ihm ganz warm dabei wurde , denn jedes Mal, wenn Carly das tat, hatte er ihr Herz berührt.
»Ich kann mich nicht erinnern, wann sich das letzte Mal jemand die Mühe gemacht hat, sich nach so etwas … Trivialem zu erkundigen.«
»Seit wann ist deine Karriere trivial?«
Carly schüttelte den Kopf. »Für mich natürlich nicht. Aber für andere Leute … « Sie zuckte mit den Schultern.
»He.«
Carly hob die langen Wimpern und sah mit großen Augen zu Mike auf.
»Habe ich nicht ein besseres Etikett verdient als ?«
»Ja, wahrscheinlich schon.« Carly lachte, ein fröhlicher Laut, der trotz der widrigen und traurigen Umstände natürlich und ungezwungen klang. Ein Laut, der ihn begleiten würde, wohin er auch ging.
»Das ist immerhin ein Fortschritt.« Mike stieß einen übertriebenen Seufzer aus und legte die Füße auf die Couch, sodass Carly rücken und sich mit ihm hinlegen musste, wenn sie sich nicht von ihm lösen wollte.
»Also. Wie willst du die Probleme des amerikanischen Teenagers lösen?«
Carly bettete den Kopf auf Mikes Brust und kuschelte sich eng an ihn, um nicht vom Sofa zu fallen. Auch wenn sie seine Wärme genoss und von seiner Kraft zehrte, würde sie ihren Entschluss nicht ändern. »Was war dein größtes Problem als Jugendlicher?«
»Die Familie«, antwortete Mike wie aus der Pistole geschossen.
Wenn Carly an den Tod seiner Eltern und das Desinteresse seiner Tante und seines Onkels dachte, konnte sie sich ungefähr vorstellen, wie groß seine Probleme gewesen waren. »Und was kam an zweiter Stelle?«, fragte sie.
»Der Sex.«
Carly stieß ihm einen Ellbogen in die Rippen.
»Autsch«, ächzte Mike. »Ich meinte Mädchen.«
»Und Beziehungen«, präzisierte Carly. »Und aus der Sicht eines jungen Mädchens sind es wahrscheinlich Jungs und ebenfalls Beziehungen«, fuhr sie ganz sachlich fort.
»Ich mag dieses Analytische an dir«, sagte Mike, während er die Arme um ihre Taille schlang und sein Kinn auf ihre Schulter legte.
Carly lachte. »Normalerweise komme ich ganz gut zurecht. Du bist bloß an einem … Scheideweg in mein Leben getreten.«
»Du schaffst das schon. Ich glaube an dich. Also erzähl, wie weit bist du bei den einzelnen Teilen schon gekommen?«, fragte Mike, um dann aufmerksam zuzuhören, während Carly ihm von ihren Fortschritten berichtete – oder auch dem Mangel daran.
Sein Interesse freute sie sehr. Offenbar mochte er sie wirklich, und zwar über das rein Körperliche hinaus. Und trotz seiner drohenden Abreise hatte er sich die Zeit genommen, ihr zu zeigen, was für ein Mann er tatsächlich war. Nämlich einer, der weder seine Freunde noch seine Pflichten vernachlässigte. Einer, der sich seinen Ängsten stellte und weitermachte – und zwar ohne sie.
Sie drückte sich noch enger an ihn. Ihn gehen zu lassen, fiel ihr viel schwerer, als sie gedacht hatte, aber Mike hatte nie Interesse an einer längeren Beziehung gezeigt. Nicht einmal andeutungsweise hatte er zu erkennen gegeben, dass er bereit wäre zu bleiben. Die leise Stimme, die sie daran erinnerte, dass sie ihn diesbezüglich auch nicht gerade ermutigt hatte, ignorierte Carly geflissentlich.
Mike verflocht seine Finger mit ihren und legte ihre miteinander verschränkten Hände auf seinem Bauch ab. »Ich weiß, dass du dieses Buch zu Ende bringen wirst, und das macht mich stolz.«
Sein volles, tiefes Lachen ging Carly durch und durch. »Falls ich über meine eigenen familiären Probleme hinwegkomme, vielleicht.«
»Ich glaube an dich, aber wir werden ja sehen, nicht wahr?«
. Weil er nicht da sein würde. »Wirst du es auch schaffen?«, fragte Carly, wütend über ihre unsichere Stimme und ihr ängstliches Zittern.
»Selbstverständlich, ich versprech’s.« Sanft küsste Mike sie auf die Wange.
Carly schloss
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