Noch ein Tag und eine Nacht
scheren. Ich hätte den Satz sagen sollen, den ein Freund einmal bei einer Pufftour hat fallen lassen: »Tut mir leid, ich hab’s eilig. Pack mir ’n Blowjob ein, ich hol ihn mir später ab.«
Ich ging zu Bett. Ich weiß nicht, ob es an den vielen Hotdogs lag oder daran, dass Michela nicht auf meine Nachricht antwortete, jedenfalls hatte ich an diesem Abend Mühe einzuschlafen, und als es mir endlich gelungen war, schlief ich schlecht. Am nächsten Morgen um sechs war ich wieder wach, und um acht saß ich schon im Doma Cafe, gegenüber Michelas Firma.
Nach ein paar Stunden kam ich mir nur noch dämlich und lächerlich vor. Selbst wenn ich sie gesehen hätte – sie hatte nicht zurückgerufen, damit war alles klar. Ich überlegte, ob ich den Rückflug vorverlegen und noch zwei, drei Tage bleiben sollte. Aber es nervte, so weit gereist zu sein und nicht mal wenigstens ein schlichtes »Nein« mit nach Hause nehmen zu können.
Ich ging zurück zum Hotel. Ich lief durch den Park auf dem Washington Square. Jede Menge Leute. Manche lernten, andere lasen, machten Musik oder Sport, wieder andere führten den Hund auf ein eingezäuntes Gelände. Jeder widmete sich seiner Tätigkeit. Auf der Platzmitte stand eine Statue von Giuseppe Garibaldi. »Ciao, Garibaldi, ich bin’s, Giacomo, der Sohn von Giovanni, der von zu Hause fortgegangen ist.«
Ich war zwar noch nicht lange Gast in meinem Hotel, aber ich hatte schon meine Gewohnheiten. So ging ich schnell noch in den Frühstücksraum, bevor alles abgeräumt wurde. Ich trank einen Kaffee, und nach ein paar Minuten kam auch Dinah. Inzwischen fragten wir den anderen gar nicht mehr um Erlaubnis und setzten uns einfach zueinander. Zwei einsame Menschen in einem Hotel. Wir unterhielten uns ein wenig, dann verabschiedeten wir uns, und ich ging hoch aufs Zimmer.
Eine Viertelstunde später klingelte das Telefon. Ich ging sofort dran. Es war Dinah. Sie fragte, ob ich mit ihr ins Guggenheim Museum gehen wollte. Ich hatte sowieso nicht viel vor… warum also nicht?
Ich weiß noch, dass ich ihr sagte, ich bräuchte noch zehn Minuten.
»I’ll pick you up.«
Als sie an meiner Tür klopfte, putzte ich mir gerade die Zähne. Ich machte ihr auf und ging zurück ins Bad. Dinah setzte sich auf den Bettrand. Nach ein paar Sekunden küssten wir uns. Als ich sie auszog, sah ich an ihrer Unterwäsche, dass sie von vornherein beschlossen haben musste, mit mir zu schlafen. Ihre Hand mit dem Trauring erregte mich. An diesem Morgen schaffte ich ein Triple. Zwischen dem ersten und zweiten Mal kam das Zimmermädchen herein. Wir hatten keine Zeit gehabt, ein Do-not-disturb -Schild rauszuhängen.
Als wir Mittagessen gingen, war es schon nach zwei. Danach ging sie ins Hotel zurück, um auf ihren Mann zu warten. Ich drehte noch eine Runde. Das Guggenheim fiel natürlich aus.
Als ich abends zum Essen hinunterging, begegnete ich Dinah und ihrem Mann zufällig an der Rezeption. Es war so schön gewesen, mit ihr zu schlafen, dass ich eine Erektion bekam, als ich sie nur sah. Wir tauschten einen raschen Blick, dann ging jeder zurück in sein Leben. Am nächsten Tag reiste sie ab.
Ich hatte Lust auf Pizza und ging in John’s Pizzeria in der Bleecker Street. Der Kellner, der mich bediente, war in Brooklyn geboren, doch seine Familie stammte aus Kalabrien. Die klassischen italienischen Einwanderer, wie im Film. Er redete eine Mischung aus Amerikanisch und Kalabresisch. Italienisch kaum. How are you, cumpà?
Als ich wieder ins Hotel kam, rief mich die Frau vom Empfang zu sich. Ich mag es, wenn Ausländerinnen meinen Namen aussprechen, oft betonen sie ihn auf der Mittelsilbe… Giacòmo. Sie hatte eine Nachricht für mich. Ich hatte damit gerechnet, dass Dinah mir wenigstens ein paar heimliche Zeilen dalassen würde. Doch die Nachricht war von Michela. Ich schluckte.
»Ciao, Giacomo, ich hab deine Nachricht auf meinem Büroanrufbeantworter erst jetzt gehört. Ich hatte in Boston zu tun. Morgen kann ich um fünf freimachen. Komm morgen früh bei mir im Büro vorbei, wenn du kannst, und sag dem Pförtner deinen Namen. Wenn du Zeit hast, gehen wir um fünf einen Kaffee trinken. Hier ist meine Handy-Nummer.«
Sie hinterließ mir auch ihre Büroadresse, aber die kannte ich ja schon auswendig.
Ich war selig. Ich ging auf mein Zimmer, und nachdem ich die ersten Minuten der Euphorie überstanden hatte, fiel mir auf, dass ich eins nicht verstanden hatte: Warum sollte ich beim Pförtner vorbeischauen und meinen
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