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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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sagen können, ohne dass er erschrickt, ohne dass er mir das Gefühl gibt, ich würde ihn bedrängen. Ich möchte einen Mann, der unerschütterlich meine Nähe sucht, unabhängig davon, was ich tue. Wie du, als du hergekommen bist. Und vor allem möchte ich einen Mann, der da ist.«
    »Und was heißt das für dich?«
    »Das kann ich nicht erklären. Einen Mann, der da ist, erkenne ich an seinem Blick. An seinem Blick, der hinter die Dinge schaut. An seiner Art, wie er mich still ansieht – das bedeutet mir alles. Das bedeutet, dass er da ist.«
    Michela sprach frei heraus, und am Schluss hatte ich den Eindruck, als suchte sie in den Menschen das Gleiche wie ich. Als ich erwähnt hatte, ich hätte wenige Beziehungen und viele Abenteuer gehabt, war ich nicht in die Details gegangen. Mir war zum Beispiel nicht danach, ihr zu erzählen, dass eins meiner Probleme in Beziehungen ist, dass meine Gefühle mit der Zeit nachlassen, wenn ich länger mit einer Frau zusammen bin. Der Körper lügt nie. Wenn ich mit einer Unbekannten schlafe, wird mein Schwanz hart wie Marmor, und ich hätte am liebsten sechs davon, weil einer mir nicht genügt. Ich möchte ihn überall gleichzeitig hineinstecken. Wohingegen meine Erektion in einer dauerhaften Beziehung nach einer Weile weniger heftig ist. Es war schon vorgekommen, dass ich mit den Fingern nachhelfen musste, damit er drinnen blieb. Einmal, als ich es so machte, wollte sie plötzlich oben sein, und als ich mich umdrehte, glitt er heraus. Unter diesen Umständen muss ich entweder wieder oben liegen oder von hinten eindringen – eine Stellung, die mich immer sehr erregt.
    Denn was mich an einer Frau am meisten erregt, ist das Mysterium, die Unbekannte, die in ihr wohnt. Ich will herausfinden, wie ihr Körper, ihre Haut, ihr Geruch ist, wie sie stöhnt, wenn wir uns lieben. Ich bin ein Entdecker, ein Seefahrer, ein Matrose, ein Pionier, ein Reisender. Ich liebe die Frauen. Deshalb hatte ich praktisch nie eine feste Freundin. Weil ich die Frauen liebe und weil ich sie nicht gern betrüge. Die anderen Frauen würden mich von der ablenken, mit der ich zusammen bin. Ich kann auf die anderen nicht verzichten, ich bin ein Opfer des nicht gegebenen Kusses, des unbekannten Körpers, des geheimnisvollen Blicks. Wie erregend doch ein langersehnter erster Kuss ist. Ein neuer Körper, der mir erlaubt, ihn zum ersten Mal zu berühren. Endlich den Busen zu sehen, den ich bisher nur durch die Kurven der Kleidung erahnen konnte. Den Rock zu heben und die Beine zu sehen, die Schenkel. Den Saum des Höschens. Einen Fuß zu küssen, einen Hals zu beschnuppern. Den Gesichtsausdruck einer Frau auf dem Höhepunkt zu entdecken. Zu bemerken, dass die Welt stillsteht, wenn eine Frau dich anlächelt. Selbst wenn eine Frau nicht besonders hübsch ist, ihr Dekolleté ist wie ein Autounfall auf der Gegenfahrbahn: Man fährt langsamer, um zu glotzen. All diese Empfindungen haben auf mich die Wirkung einer Droge.
    Ich liebe die Frauen, ich habe sie immer geliebt. Wie sollte man sie nicht lieben? Frauen sind schön. Ihre Kurven, ihre Hände, die Haut, die wirren Fäden ihrer Gedanken sind schön. Die bunten Düfte ihrer Begierden. Ihre Ängste, ihre kleinen Irritationen. Ich liebe die Schönheit ihrer Gesten. Ich liebe es, wie sie mit der Hand die Tränen trocknen, und das plötzliche Lächeln, nachdem sie zuvor wie kleine Mädchen geheult haben. Unerwartet geht die Sonne auf. Ich liebe die Frauen. Ohne sie wäre ich längst über alle Berge. Ohne sie wäre ich nie zurückgekehrt.
    So war ich schon immer. Wenn ich telefoniere und mittendrin höre, dass ich eine SMS bekommen habe, will ich nicht weitersprechen, weil ich total neugierig bin, von wem sie stammt. Ich kann mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. So ähnlich ist es mit den Frauen: Wenn ich mit einer zusammen bin, habe ich Angst, alle anderen zu verpassen. So war ich in allem. Zum Beispiel habe ich Karate, Tischtennis, Fußball und Basketball gemacht, alles auf einmal. Ich habe mich nie nur auf eine Sache konzentriert. Ich habe immer gleich tausend Löcher gegraben, und vielleicht habe ich deshalb nie etwas gefunden.
    Michela hat mich etwas Wichtiges gelehrt.
    Doch in jenen Tagen wusste ich das noch nicht.

Erste gemeinsame Dusche
 (und erste Nacht) 
    Abends gingen wir wieder zusammen essen. Diesmal zum Glück in ein Restaurant. Wir aßen im Macelleria Restaurant, im Meatpacking District. Am Nebentisch saß auch ein Paar. Der Mann hatte ein Tattoo

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