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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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an der die Welten der Erde und des Himmels zusammentreffen. Sie saß auf dem Stuhl, die Arme um die Knie geschlungen, und trank ihren Tee. Klein und sexy. Genau das habe ich gedacht, das weiß ich noch. Michela war wahnsinnig sexy. Zum Sterben. Ihre Art nachzudenken war sexy. Ihre Art zu sprechen, zu lachen, zu gehen. Der Geruch ihrer Haut löste bei mir eine Erektion des Herzens aus. Zuvor, während wir uns liebten, hatte ich gedacht, dass ich nur dies allein im Leben wollte: so viel es ging mit ihr zusammen sein.
    Wir gingen zurück ins Bett, und mit ineinander verschlungenen kleinen Fingern schliefen wir ein.
    Um halb sieben war ich hellwach. Durchs Fenster sickerte ein wenig Licht herein. Das Bett war hoch. Michela hat vier Kissen im Bett, und ich stellte fest, dass sie in Embryonalstellung auf der Seite schläft und sich eins dieser Kissen zwischen die Knie klemmt. Es gibt ja schon seltsame Arten zu schlafen. Ich zum Beispiel schlafe oft mit gespreizten Beinen, eins unter der Decke und eins draußen.
    Langsam, um sie nicht zu wecken, schlüpfte ich aus dem Bett und ging aufs Klo. In der ganzen Wohnung knarrte der Boden. Anschließend ging ich in die Küche und versuchte, Frühstück zu machen, aber ich wusste nicht, was sie normalerweise aß. Ich kannte sie noch nicht gut. Ich machte einen Kaffee und einen Tee, holte Orangensaft aus dem Kühlschrank, toastete Brot und stellte sämtliche Marmeladen auf den Tisch. Dann schaltete ich die Anlage in der Küche ein und legte eine CD auf. Ich wusste nicht, welche von den zehn ich aussuchen sollte. Schließlich hatte ich die Wahl zwischen dem Album Come Away with Me von Norah Jones und Big Calm von Morcheeba. Ich entschied mich für die erste. Ich machte ganz leise, ging Michela wecken und fragte, was sie am liebsten trinken wollte.
    »Kaffee.«
    Ich brachte ihr den Kaffee ans Bett. Dann ging ich duschen. Ich zog die Hose an, und sie kam an den Tisch. Sie aß etwas Brot mit Marmelade.
    »Danke für das Frühstück«, sagte sie mit zerknautschter Stimme.
    Ich setzte mich aufs Sofa und trank dort meine Tasse Kaffee aus. Sie hatte sich das erstbeste Kleidungsstück übergezogen, das sie gefunden hatte: Mein Hemd war entschieden zu groß und reichte ihr fast bis an die Knie. Es war ein erregender Anblick, wie ihre Beine darunter hervorschauten. Wir sahen uns in die Augen, während sie die Tasse zum Mund führte und den Rest ihres Gesichts verbarg, bis auf die Augen. Ein klarer Blick, direkt und tief. Dann schlug sie die Beine übereinander, und ich verlor die Kontrolle. Ich stand auf, setzte mich auf sie, nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie. Ich steckte meine Zunge so weit es ging in ihren Mund, zog sie zu Boden, knöpfte das Hemd auf und ließ mich von ihrer hellen Haut hypnotisieren. Ich nahm ihre Brust mit einer Hand, während ich mit der anderen ihren Nacken hielt, damit sie nicht auf den Boden schlug. Lange betrachtete ich Schultern und Hals. Alles war weich und duftend vom Erwachen. Ich drang in sie ein. Ihre Küsse, ihre Zunge schmeckten nach Kaffee. Sie umklammerte das Tischbein und hielt sich daran fest. Irgendwann mussten wir ins Bett gelangt sein, denn als wir kamen, lagen wir dort. Was für ein guter Morgen. Das sagten wir uns auch, als wir hinterher lachend »Nase-Nase« und »Wimper-Wimper« machten: »Guten Morgen.«
    Später begleitete ich sie zur Arbeit.

Das Spiel
    An diesem Vormittag hatte ich ihren wunderbaren Geruch an mir. Ich wusch mich absichtlich nicht. Mit ihrem Duft an mir hatte ich das Gefühl, die Menschen würden mich irgendwie freundlicher behandeln.
    Nachdem ich sie ins Büro begleitet hatte, ging ich spazieren und landete im Lotus Lounge Café an der Ecke Clinton und Stanton Street. Roter Fußboden, Tische und Stühle aus Holz in verschiedenen Formen und Farben, an der Rückwand ein Bücherregal. Auch dieses Lokal war voller junger Leute, die allein dasaßen und schrieben, lasen oder aus dem Fenster schauten und nachdachten. Ich kann mich nicht erinnern, in einer Bar meiner Heimatstadt je einen jungen Menschen gesehen zu haben, der allein gewesen wäre. In New York ist das normal. Bei uns geht man in eine Bar, um einen schnellen Kaffee zu trinken oder um sich mit Freunden zu treffen. In New York sitzen sie stundenlang vor dem Laptop und arbeiten, und wenn der Akku leer ist, stecken sie das Kabel in eine Steckdose und fragen nicht mal. Ich trank meinen Kaffee und schaute ebenfalls ein bisschen nach draußen. Der Himmel war düster,

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