Noch ein Tag und eine Nacht
Kopf zurechtrücken‹, wie meine Mutter es ausdrückte. Eine Sorge weniger. Jedenfalls erwarteten alle von mir, ich würde bei ihm bleiben. Obwohl ich nicht mehr verliebt war. Das enttäuschte mich am meisten. Eine Freundin meinte, ich solle Paolo trotzdem heiraten, er sei ein guter Junge, einen besseren würde ich nicht kriegen, und in meinem Alter sei es ratsam, bei so einem Mann zu bleiben. ›Du bist fast vierzig, was soll da noch kommen?‹ Abgesehen davon, dass ich erst fünfunddreißig war… Ich war es leid, unter Leuten zu leben, die einen, sobald man die dreißig überschritten hat, fragen: ›Warum bist du eigentlich nicht verheiratet?‹ Wenn eine Frau nicht heiratet, dann hat sie offenbar nicht den Richtigen gefunden; dass sie es vielleicht aus freien Stücken nicht will, kommt ihnen nicht in den Sinn. Ihnen scheint das die einzig logische Konsequenz. Stell dir mal vor, es wäre umgekehrt und wir würden eine Frau fragen: ›Warum hast du geheiratet?‹ Ich hatte es satt, dass alle mich mitleidig anschauten, als wünschte ich mir nichts sehnlicher, als endlich Ehefrau zu werden. Also habe ich für ein wenig Luftveränderung gesorgt.«
»Und jetzt bist du auf der Suche nach dem perfekten Mann?«
»Ich hoffe nicht… Weißt du, der perfekte Mann sucht die perfekte Frau, nehme ich mal an. Da hätte ich keine Chance.«
»Was suchst du dann?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht nichts, vielleicht alles. Jetzt im Moment möchte ich eigentlich gar nicht suchen, sondern einfach in den Tag hineinleben und nehmen, was das Leben mir gibt. Ich spiele gern. Ich liebe meine Freiheit. Ich habe einen Job in New York, der mir Spaß macht und den ich mir ganz allein gesucht habe. Ich bin glücklich und stolz auf mich, selbst wenn ich nur einkaufen gehe und den Wagen schiebe. Wenn ich Lust habe, gehe ich abends aus, oder ich bleibe zu Hause und lese oder schaue mir einen Film an oder koche was Gutes für mich oder Freunde. Manchmal decke ich für mich allein den Tisch, oder ich setze mich auf den Boden und lehne mich ans Sofa. Ab und zu mache ich mir auch eine Flasche Wein auf, nur für mich. Ich muss mich nicht rechtfertigen. Ich bin unabhängig. Diesen Zustand würde ich mit Zähnen und Klauen verteidigen. Jederzeit. Trotzdem sehne ich mich manchmal nach Nähe, möchte mich hingeben und mich in den Armen eines Mannes geborgen fühlen. Ich sehne mich nach einer Umarmung, die mir Schutz gibt, obwohl ich mich durchaus allein beschützen kann. Ich bin in der Lage, den Alltag zu bewältigen, aber manchmal würde ich gern so tun, als wäre es anders, einfach weil es mir gefällt, wenn ein anderer ihn für mich erledigt. Aber deshalb will ich nicht um jeden Preis mit einem Mann zusammen sein. Ich will keine Kompromisse machen und, nur weil ich gern mal in den Arm genommen werde, auf all meine Freiheiten verzichten. Ich bin eine Spätentwicklerin. Ich habe nicht viele Männer gehabt und war ihnen immer treu. Meine Beziehungen dauerten Jahre, meine Männer lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Meine neunzehnjährige Nichte hat jetzt schon mehr gehabt als ich. Ich konnte mich nicht auf einen Mann einlassen, wenn ich nicht in ihn verliebt war oder wir verlobt waren.«
»Genau umgekehrt wie bei mir: ganz wenige Beziehungen und viele Abenteuer. Damit es mir mit einer Frau gutgeht, brauche ich genau das Gegenteil: Je weniger ich mich gebunden fühle, desto besser geht’s mir. Aber was suchst du denn in einem Mann?«
»Ich weiß nicht… ich möchte einen Mann, mit dem ich gern zusammen bin. Einen Mann, der im Kino, im Restaurant oder im Bus an meiner Seite sitzt. Ich möchte einem Menschen begegnen, mit dem ich nach vorne schauen kann. Damit meine ich aber nicht unbedingt Ehe, Kinder und so weiter. Aber auch keinen von den Männern, die Angst bekommen, wenn man mit ihnen über etwas spricht, das weiter als zwei Tage in der Zukunft liegt. Einen, mit dem ich zusammen war, habe ich mal im Juni gefragt, wohin wir im August gemeinsam in Urlaub fahren sollten. Das stresste ihn derart, dass er zwei Tage lang kein einziges Wort sagte und dann meinte, dass er mit mir reden müsse – im August wäre er nämlich vielleicht lieber allein. Ich suche keine Familie, aber auch niemanden, mit dem ich nicht mal einen Urlaub planen kann, weil er Panik bekommt. Bubis stehen mir bis hier. Ich bin zu alt, um junges Mädchen zu spielen, und zu jung, um alte Frau zu sein. Ich möchte einen Mann, der mir gefällt, und ich möchte ihm das
Weitere Kostenlose Bücher