Noch ein Tag und eine Nacht
so einer von den Sprüchen, bei denen ich am liebsten gleich nach Hause gehen würde. Aber ich weiß ja, du machst nur Spaß. Das ist doch Spaß, oder?«
»Ja, ja… natürlich. Was ich auch nicht abkann, ist, wenn eine Frau über sich selbst redet und dabei ihren Vornamen benutzt.«
»Das musst du mir erklären?«
»Ich war mal mit einer zusammen, die hieß Sandra. Wenn sie von sich selbst sprach, sagte sie beispielsweise: ›Da habe ich mir gesagt, Sandra, stell dich nicht so an, das geht so nicht, Sandra, ich weiß, dass du es schaffen kannst.‹ Das ging mir auf die Nerven, genauso wie die Frauen, die im Bett mit einer Kleinmädchenstimme reden.«
»Und was sind die Dinge, die du gern hörst?«
»›Du bumst wie ein Gott.‹ Nein, ich mach nur Spaß… obwohl, eigentlich nicht. Sagen wir mal, mein Lieblingssatz lautet: ›Bei dir fühle ich mich frei, da kann ich sein, wie ich wirklich bin.‹ Wenn mir eine das sagte, hat mich das gefreut.«
»Das stimmt, dieses Gefühl vermittelst du wirklich. Bei dir hat man nie Angst, bewertet zu werden. Machst du das eigentlich bei allen Frauen so? Erst gestern habe ich mir gesagt: ›Michela, der Typ ist echt nett.‹«
»Bei dir stört es mich nicht, aber lass es bitte. Und wieso findest du mich nett? Was gefällt dir an mir?«
»Sag mal, fällt dir wirklich keine bessere Frage ein? Na ja, ich finde es gut, dass du dein Wissen nie als Waffe einsetzt.«
»Wie meinst du das?«
»Du kannst ja ganz schön nervig sein…«
»Ich hör ja schon auf, aber sag mir wenigstens, was du an Männern im Allgemeinen magst.«
»Ich mag es, wenn ein Mann mich überrascht, wenn er es schafft, etwas Verblüffendes zu tun, was mich durcheinanderbringt. Nach einer Weile werden die meisten Männer wie die Songs auf einer CD .«
»Wie bitte?«
»Du weißt immer schon, was als Nächstes kommt. Und wenn ein Song im Kopf zu Ende ist, fängst du automatisch mit dem nächsten an. Sie reden, und du weißt schon genau, worauf sie hinauswollen. Genau wie beim Sex, wenn sie dich küssen und streicheln und du schon genau weißt, wo die Hand als Nächstes hinwandert. Aber warte mal, da ist noch was… ich mag es, wenn einer es am ersten Abend zwar versucht und mir zu verstehen gibt, dass er mich mag, aber dann nicht weiter insistiert.«
Ich musste sofort an unseren ersten Abend denken. Ich hatte es zwar nicht versucht, aber wer weiß, vielleicht hatte ich ihr hinreichend signalisiert, dass sie mir gefiel.
»Ich mag Männer, die intuitiv verstehen, wenn ich allein sein will. Eifersüchtige Männer mag ich gar nicht. Die einzige Form von Eifersucht, die mir je gefallen hat, war die von meinem Vater, wenn ich abends spät nach Hause kam. Das fand ich super, da kam ich mir vor wie seine Frau. Und was mir auch gefällt, und zwar nicht nur bei Männern, ist, wenn jemand einen umfassenden Begriff von ›wir‹ hat.«
»Und zwar?«
»Na, wenn man unter ›wir‹ nicht ›ich und er‹ oder ›ich und meine Familie und Freunde‹ versteht, sondern auch Menschen einschließt, die man gar nicht kennt, ja sogar Lebewesen, die noch gar nicht geboren sind.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich weiß, ich kann es nicht erklären. Sobald ich die richtigen Worte finde, sage ich dir Bescheid.«
Aber dazu ist es nie gekommen.
Überhaupt schien sie zu jedem Thema, das angeschnitten wurde, eine feste Meinung zu haben. Bei mir dagegen ist es oft so, dass sich erst, wenn ich darüber rede, herausstellt, was ich von einer Sache halte. Erst wenn ich anderen etwas erkläre, schält sich meine Meinung heraus.
Dann gingen wir ins Bett. Michela bat mich, ihr den Reißverschluss aufzumachen, wie im Film. Mit den Händen raffte sie die Haare zusammen und hob sie hoch. Auch dieses Bild hat sich mir eingeprägt, und noch heute sehe ich es ohne bestimmten Grund oft vor mir. Der Hals, die Hände, die die Haare hochheben, und der Reißverschluss, der beim Aufmachen einen schimmernden Rücken enthüllt. Wie auf einem Bild von Schiele.
Ich habe mich immer gefragt, ob ein Mann es schaffen kann, einer Frau den Reißverschluss aufzumachen, ohne ihr den Hals oder die Schultern zu küssen oder daran zu knabbern. Ich jedenfalls habe es nicht geschafft. Ich lag mit ihr im Bett und wartete darauf, dass sie einschlief. Eigentlich wollte ich schon nach dem Essen gehen, aber sie bat mich zu bleiben, bis sie eingeschlafen sei.
»Erzählst du mir noch eine Geschichte?«
»Welche denn?«
»Denk dir eine aus.«
Ich schwieg einen
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