Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
Vom Netzwerk:
ergeht wie ihr selbst, wie zum Beweis dafür, dass es keine Alternative gibt. Das macht mich rasend. Und mein Vater – erst hat er sein ganzes Leben den Moralapostel gespielt und mit dem Finger auf andere gezeigt, und jetzt kommt heraus, dass er sich nachmittags nicht etwa mit seinen Freunden zum Kartenspielen trifft, sondern mit seiner Geliebten.«
    »Hast du ihn schon darauf angesprochen?«
    »Ich habe ihn besucht und mich erkundigt, wie es ihm geht. Dann habe ich ihm gesagt, dass es seiner Freundin gutgeht und er sich keine Sorgen zu machen braucht, und bin gegangen. Ich weiß nicht, wohin das alles führt. Auf jeden Fall werde ich mir jetzt eine kleine Mietwohnung suchen, für mich und Margherita. Bei Carlo halte ich es einfach nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr. Ich habe lange genug bei meinen Eltern um Unterstützung gebettelt. Von denen ist nichts zu erwarten, die kann ich vergessen… Aber erzähl du doch mal, von dir und Michela, ich bin schon ganz gespannt. Telefonierst du mit ihr, oder macht ihr wirklich, was ihr euch vorgenommen habt: Was auch geschieht, wir trennen uns?«
    »Wozu sollten wir uns anrufen? Sie wohnt in New York, und ich bin hier. Soll ich alles aufgeben und zu ihr ziehen? Und dann? Ein paar Tage sind das eine, aber eine ernsthafte Beziehung ist etwas ganz anderes. Würden wir dauernd telefonieren, wäre die Trennung nur noch schwieriger. Also lassen wir das. Auch wenn es schwerfällt, sehr schwer sogar. Stell dir vor, ich war schon fast so weit, mit ihr ein Kind zu machen.«
    »Ein Kind, bist du verrückt?«
    »Ja, ich weiß, aber so war es. Wir haben sogar darüber gesprochen, und womöglich wäre es tatsächlich so weit gekommen, wenn ich nicht so überstürzt hätte abreisen müssen…«
    »Du und ein Kind! Wo du doch schon allein beim Thema Beziehung eine Hodenentzündung kriegst. Vor deiner Abreise konntest du dir nicht einmal vorstellen, mit einer Frau ein Wochenende zu verbringen, und zwei Wochen später willst du den Vater spielen? Obwohl, dass du eines Tages urplötzlich ein Kind zeugen könntest, ohne lange darüber nachzudenken, das habe ich dir immer schon zugetraut…«
    »Bei ihr fühle ich mich frei. Diesmal war alles ganz anders als sonst. O Gott, jetzt rede ich schon wie alle anderen: Bei uns ist es was anderes… Aber so war es, auf jeden Fall anders als alles, was ich bisher erlebt habe. Mit ihr habe ich mich so wohl gefühlt wie noch nie in meinem Leben. Stimmt schon, zehn Tage in New York haben mit einer echten Beziehung nicht viel zu tun, das weiß ich selbst, aber ich mag sie, alles an ihr, wie sie denkt, wie sie redet, wie sie träumt und wovon sie träumt.«
    »Das soll’s ja geben.«
    »Einmal, als wir so zum Spaß über Kinder sprachen, hat sie mir einen ziemlich abstrusen Vortrag gehalten, von dem ich das meiste vermutlich gar nicht verstanden habe. Sie erklärte mir, der Mann, mit dem sie Kinder haben wolle, müsse vor allem Mut haben, nicht bloß verliebt sein. Bei der Überlegung, ob sie mit mir ein Kind haben wollte, sei für sie nicht ausschlaggebend, was sie für mich empfinde, sondern eher, was sie von mir halte. Ganz schön verrückt.«
    »Aber sie hat doch recht. Schau mich an. Wenn Carlo nur ein bisschen mehr Mumm hätte, müsste ich nicht alles alleine tragen.«
    »Tut er etwa immer noch so, als ob nichts wäre?«
    »Es wird immer schlimmer. Jetzt versucht er sogar, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wenn ich ausziehe, sagt er, dann sei es meine Schuld, wenn Margherita leide. Ich habe Angst, dass er alles auf mich schiebt und meine Tochter gegen mich aufbringt.«
    »So ein Arsch. Er setzt dich also moralisch unter Druck?«
    »Ja. Und er merkt gar nicht, dass er damit alles nur noch schlimmer macht und mich darin bestärkt, dass ich bei so jemand nicht länger bleiben kann.«
    »Ein berühmter Satz lautet: Wenn du deinen Ehepartner wirklich kennenlernen willst, verlasse ihn.«
    Wir zahlten, und Silvia fuhr mich nach Hause.
    Die Tage vergingen, und langsam kam ich aus der Geschichte mit Michela heraus. Aber mit Mühe, wie am Geldautomaten, wenn man schon meint, dass er die Karte einbehält und er sie dann doch wieder ausspuckt. Genauso fühlte ich mich. Nachdem ich ein paar Tage mit der Straßenbahn zur Arbeit gefahren war, beschloss ich, aufs Fahrrad umzusteigen. Ich konnte die Leere nicht mehr ertragen, litt viel mehr als beim ersten Mal. Ohne Michela fehlte mir jede Orientierung, mein Blick stolperte und stürzte ins Nichts. Da es Sommer

Weitere Kostenlose Bücher