Noch immer schwelt die Glut
Saal.
»Ha, mein Pierre!« sagte Quéribus, der, Geck hin, Geck her, mich jedenfalls mit gleichbleibender Herzlichkeit begrüßte, »nun packt Eure Siebensachen. Der König ruft Euch zurück.«
»Wie?« sagte ich überglücklich, »wieder nach Paris? In den Louvre? Zu ihm?«
Weil mir aber plötzlich einfiel, daß Quéribus nichts von Marianne, Mâcon und dem Anschlag auf mich wußte, hielt ich an der Fabel von meiner Verbannung fest.
|224| »Dann ist meine Ungnade also aufgehoben! Aber wie? Erzählt mir, wie es dazu kam.«
»Ganz einfach«, sagte Quéribus. »Gestern morgen, beim Erwachen, sagte der König: Siorac hat Epernons Halsleiden so wunderbar kuriert, daß er wohl auch meines kurieren wird. Was macht er so lange auf seinen Gütern? Mein Streiter, holt ihn mir! Ihr wißt doch«, setzte Quéribus mit einem Anflug von Prahlerei hinzu, »seit ich mich damals beinahe mit Euch duelliert hätte, nennt mich Heinrich mit Vorliebe ›Streiter Quéribus‹ oder auch kurz: mein Streiter!«
Was ich allerdings genausogut wußte wie er, bestand doch keine Gefahr, daß ich dieses Duell mein Lebtag vergessen würde, bei dem ich über die Klinge gegangen wäre, hätte Heinrich es nicht verhindert. Und weil ich genausogut wußte, welche Antwort Quéribus jetzt von mir hören wollte, zögerte ich damit nicht.
»Das kommt eben«, sagte ich, »weil der König für Euch große Liebe hegt!«
»Ich glaube auch«, sagte Quéribus und schraubte seine Geckentaille in die Höhe.
»Und wie stehen die königlichen Dinge?« fragte ich.
»Nicht gut. Die lothringischen Fürsten und verschiedene Herren des Hochadels haben eine heilige Liga zur Verteidigung der katholischen Kirche und zur Ausrottung der Ketzerei gegründet.«
»Das ist nicht neu.«
»Neu daran ist, daß sie auf Schloß Joinville einen Vertrag geschlossen haben, kraft dessen Navarra als Ketzer von der Thronfolge ausgeschlossen und der Kardinal von Bourbon als Heinrichs Erbe anerkannt wird. Und das schlimmste ist, daß diesen Vertrag auch die Vertreter Philipps II. unterzeichnet haben.«
»Das ist ja Verrat und offene Rebellion!« rief ich.
»Offen nicht«, sagte Quéribus mit einem Lächeln. »Ihr kennt doch Guise: Er geht vor wie eine Katze, mit einer Pfote immer auf Rückzug. Der Vertrag ist Geheimsache, er wird unterm Mantel der Verschwiegenheit verbreitet. Es ist keine Herausforderung des Königs: Es ist Erpressung.«
»Und was tut der König?«
»Da es keine offene Herausforderung ist, hütet er sich, sie zur Kenntnis zu nehmen.«
|225| »Mehr nicht?« fragte ich ungläubig.
»Was soll er anderes tun?« sagte Quéribus. »Er streicht die Segel.«
»Aber«, sagte ich verwirrt, »wenn Heinrich die Segel streicht, läuft er große Gefahr, geentert und versenkt zu werden.«
Hiermit verließ ich Quéribus, um für den kommenden Tag zum Aufbruch in aller Frühe zu blasen und das Gesinde zum unverzüglichen Packen anzuweisen. Angelina begrüßte die Nachricht mit heller Freude, sehnte sie sich nach diesem halben Jahr doch sehr nach Paris, während Gertrude tief betrübt war, daß sie ihr nicht dorthin folgen konnte, und noch mehr die schöne Zara, denn Samson konnte von seiner Apotheke nicht weg.
In der Bibliothek fand ich Fogacer, der in einem Lehnstuhl saß und las. Auf einem Schemel zu seinen Füßen, den Kopf an seine Knie gelehnt, träumte Silvio.
»Mi fili«
, sagte Fogacer, indem er sein Buch niederlegte und mit der Linken über Silvios schwarze Locken strich, »nicht wahr, Ihr kommt, mir Euren Aufbruch nach Paris zu verkünden?«
»Woher wißt Ihr das?« fragte ich verwundert.
»Ich erhielt heute morgen«, sagte Fogacer, die diabolischen Brauen wölbend, »einen Brief vom Marquis de Miroudot, der mir unter anderem die Unterzeichnung des Vertrags von Joinville zwischen Guise und Philipp II. mitteilt.«
»Ihr kennt den Marquis?« fragte ich freudig.
»Nicht intim, das wäre Verleumdung«, versetzte Fogacer lächelnd. »Aber, Ihr wißt,
mi fili
, in unserer seltsamen Bruderschaft treten alle Unterschiede des Ranges und Vermögens hinter den gemeinsamen Interessen zurück.«
»Eure Freundschaft einmal beiseite«, sagte ich, »wieso schließt Ihr von diesem Vertrag von Joinville auf meine Abreise nach Paris?«
»Das ist doch offenkundig«, sagte Fogacer.
» Mi fili
, ich bin nicht so einfältig, daß ich länger an Eure Ungnade glaubte, als ich Euch hier soviel Geld für den Ausbau Eurer Herrschaft ausgeben sah. Eine solche Summe konntet Ihr nur vom
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