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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Vasselière
     
    Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, mit welcher Unverschämtheit, welcher kaum verhohlenen Drohung diese Marianne mir befahl, mich der Inquisition der Herzogin von Montpensier zu unterwerfen, von der doch alle Welt wußte, wie ungehemmt sie den Bestrebungen ihres Bruders diente, indem sie die ligatreuen Priester mittels Geld zu schrillen Predigten veranlaßte, die meinen armen König von früh bis spät bespien, und die ständig eine goldene Schere am Gürtel trug, mit welcher sie, wie diese Furie behauptete, Heinrich eigenhändig scheren werde, bevor man ihn ins Kloster sperrte, um ihm, wie sie sagte, nach der polnischen und der französischen seine dritte Krone zu verpassen. Und diese niederträchtigen und böswilligen Reden nebst etlichen anderen desselben Schlages verbreitete die Liga fröhlich in Paris. Wäre der König nicht so überaus duldsam gewesen, hätte er diese Person mit lebenslanger Verbannung bestraft.
    |274| Angelina konnte ich den Brief nicht zeigen, denn nicht nur war sie so gutherzig, niemandem Böses zuzutrauen, ich verschwieg ihr ja auch all die gefährlichen Dinge, die ich im königlichen Dienst unternahm. Deshalb zeigte ich das Billet meinem Miroul, und er erschrak bei der Vorstellung, daß ich im Haus der wildgewordenen Guise-Schwester in eine Falle geraten könnte, sicherlich war es mit Männern und Waffen reich bestückt.
    »Moussu«, sagte er, »geht nicht dorthin! Wer den Wolf bei den Ohren packen will, hüte sich vor seinen Reißzähnen! Schließlich seid Ihr als treuer Diener des Königs bekannt, und Euer Haus ist schon vorgemerkt zum Massaker.«
    »Aber, wer das Schaf spielt und flieht, den frißt der Wolf!« entgegnete ich.
    »Wer ihn nicht flieht, wird desto schneller gefressen! Moussu, wartet lieber ab! Werft Euch nicht von selbst in seinen Rachen!«
    Sein Rat war besonnen, trotzdem widerstrebte mir solche passive, bäuerliche Vorsicht, und ich holte die Meinung von Quéribus ein, die das ganze Gegenteil war.
    »Geht nur hin, Herr Bruder!« sagte er lachend. »Ihr lauft im Hôtel de Montpensier nicht mehr Gefahr als außerhalb! Seht Euch mit eigenen Augen dieses Scheusal an, dessen ›eine Hinterbacke zu kurz und die andere zu leicht ist‹, wie Chicot sagt: wofür er schon zehnmal ermordet worden wäre, gälte es nicht als ehrlos, einen Narren umzubringen. Die Hinkefuß ahnt, so wie jedermann, daß Ihr dem König geheime Dienste leistet. Sie lädt Euch ein, um Euch die Würmer aus der Nase zu ziehen. Aber ich halte Euch für zu klug, um ihr Anhaltspunkte zu liefern. Ihr wißt sehr gut, daß der König auf Eure Gewandtheit große Stücke hält. Ich bin aber nicht neidisch, daß er Euch mehr beschäftigt als mich, weil ich ja weiß, daß meine Klinge wendiger ist als mein Kopf.«
    »Ihr, mein lieber Bruder, neidisch auf mich«, rief ich, indem ich ihm einen Arm um die Schulter warf, »der ich doch nur die Skizze von Euch bin?«
    »Nun ja«, sagte Quéribus, seine Wespentaille straffend, »freilich bin ich mit meinen gut dreißig Jahren noch immer ansehnlich genug, allerlei Köpfe zu verdrehen. Tagtäglich böten sich mir am Hof Tausende Gelegenheiten zu sündigen, wenn ich nicht so an Eurer Schwester hinge.«
    |275| Worauf ich nachsichtig lächelte, denn mochte ich ihm besagte Gelegenheiten auch glauben, so glaubte ich doch nicht, daß er sie gar nicht nützte. Mein Lächeln schmeichelte ihm, als hätte ich ihm, wie üblich, ein Kompliment gemacht, und was mich anging, so bedünkte mich seine Meinung vielleicht nicht die weiseste, doch entsprach sie meiner Laune am ehesten.
    Also schickte ich meinen Miroul mit einem Billett ins Hôtel de Montpensier, worin ich mich Mademoiselle de La Vasselière zu Füßen warf. Eine knappe Stunde später kehrte er mit sehr besorgter Miene zurück. Wenn jenes Weib, sagte er, nicht die Marianne von Mâcon sei, dann sei sie ihr doch wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie habe beim Lesen meiner Zeilen mit halbem Munde gelacht und in gereiztem Ton gesagt: »Der Gehorsam deines Herrn bezaubert mich, soll er nur gleich kommen, sofern er nicht fürchtet, hier von zwei Ungeheuern gefressen zu werden.«
    Wortlos gürtete ich meinen Degen, Miroul flehte mich noch einmal an, mich doch nicht in diese Höhle zu begeben und mein Leben den höllischen Furien auszusetzen. Hatten sie nicht erst vor wenigen Monaten den Schiffer Mérigot angeheuert, mich zu erschießen? Und als ich, ohne viel Worte, an meinem Entschluß festhielt, wollte er mich

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