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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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bei so kurzer Begegnung hinzugeben, dies war ihr nur nach langer Freundschaft vorstellbar. Und daß sie entschlossen sei, sich auf nichts derlei einzulassen, das sagte sie mir gleich als erstes; die kleinen Freiheiten, zu denen ihre Rolle sie in der Öffentlichkeit verpflichte – Lächeln, verliebte Blicke, Händchenhalten –, müßten auf der Schwelle ihres Hauses enden. Und das versprach ich ihr.
    Ich führte also meine Liebelei mit der schönen Lady T. an allen Orten Londons zur Schau, wo wir von Monsieur de Bellièvre und den Edelleuten seiner Suite gesehen werden konnten, so daß meine »Affäre« mit dieser edlen Dame geglaubt, weitererzählt und soviel beredet wurde, daß sie sich bis Paris herumsprach, wie zu berichten bleibt.
    |326| Was mich betrifft, hätte ich mir für meinen Londonbesuch keinen besseren noch gelehrteren Führer wünschen können als Lady T., war sie doch ganz vernarrt in ihre Stadt, die ich ihr zu Gefallen über den grünen Klee lobte, obwohl ich fand, daß L’Aubépine recht hatte, Paris größer und volkreicher zu nennen, denn Londons Einwohner kamen, wie sie mir sagte, auf hundertzwanzigtausend, während unsere Hauptstadt über dreihunderttausend zählte. Auch fand ich London nicht so reich an schönen Bauten, besonders aber an Kirchen, denn viele waren zerstört worden, als man die Klöster auflöste. Diese nämlich hatte die Krone an reiche Privatleute verkauft, welche die Kapellen schleiften, um dort etwa ein schönes Ballspielhaus oder eine Taverne oder ein Haus zu erbauen. Ein Jammer, diese Abrisse, aber auch die Bilderstürmerei, welche die Skulpturen und Bilder in den noch bestehenden Kirchen auf ein Nichts reduzierte.
    Was nicht heißen soll, daß St. Paul’s Cathedral und Westminster Abbey nicht sehr prächtig wären, noch grandios und furchteinflößend der Tower, noch herrlich schön die Paläste der Königin, doch schmücken sie nur einen Teil der Stadt, das Westend: Je weiter man nach Osten gelangt, ist, abgesehen vom Tower, alles Wüstenei, windschiefe Holzkaten, mit Stroh oder Schilf gedeckt, schmutzige Höhlen, nicht besser, wette ich, als die im Faubourg Saint-Germain.
    Was die Straßen angeht, so stinken und starren sie allesamt genauso wie in Paris von Kot und Urin, und das Themse-Wasser kommt mir nach seinem Geruch nicht gesünder vor als das der Seine, noch weniger voller Ratten und Tierkadaver. Höchstens daß die Londoner geschickter sind, Wasser herauszuziehen, als die Pariser, denn an einem Bogen der London Bridge sah ich ein äußerst kunstreiches, von der steigenden Flut getriebenes Rad, das eine große Zisterne füllt, aus welcher die Gemeinde schöpfen kann. Ihr Inhalt allerdings ließe mich sehr für meine Gesundheit fürchten, wenn ich davon trinken müßte, zumal sie wegen der Gezeiten ziemlich verschlammt sein dürfte.
    Das Wunder von London ist meines Erachtens das Themse-Becken, welches so breit und so tief ist, daß dort die größten Galeonen anlegen können; derweise genießt die englische Hauptstadt, ohne so verwundbar zu sein wie eine am Meer erbaute Stadt, deren sämtliche Bequemlichkeiten, ist sie doch |327| gleichzeitig eine Stadt im Landesinneren und ein Hafen, wo die ankernden Schiffe in völliger Sicherheit liegen.
    Pariser können sich nicht vorstellen, welch ein mächtiger Strom die Themse ist – mit ihr verglichen ist die Seine ein Flüßchen –, auch nicht, welch ein Genius die englischen Baumeister beflügelt haben muß, um die berühmte London Bridge darüber zu spannen, die nicht weniger als zweiundzwanzig Bögen hat, wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt. Und daß ihrer nicht weniger sein durften, glaube ich gern, so stark ist die Strömung und soviel Geschicklichkeit erfordert es von Schiffern und Lotsen, ihre Gefährte hindurchzusteuern, ohne daß sie an den Pfeilern zerschellen. Lady T. erzählte mir, wenn die Königin von ihrem Palast Whitehall nach Greenwich will, geht sie an Bord ihres großen Ruderkahns, steigt aber an den Stufen von Old Swan aus und geht zu Fuß die Thames Street bis Billingsgate, wo sie ihren Kahn wieder betritt, so gefährlich ist die Durchfahrt, die manch einem schon zum Verhängnis wurde. Gleich Ihrer Majestät benutzen auch alle Großen der Hauptstadt die Themse wie die Venezianer ihre Kanäle, zumindest von West nach Ost, so schnell geht die Fahrt, während eine Sänfte in der City ob all der Hindernisse nur im Schrittempo vorankommt.
    Sowie ich bei Lady T. eingezogen war, befahl sie ihrem

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