Noch immer schwelt die Glut
Schneider, mich nach der Londoner Mode einzukleiden, weil mein Wams, vor allem aber meine Hosen mich als Franzosen verrieten und darum in große Gefahr brachten. Und vierundzwanzig Stunden später wurde ich zum Engländer, wenigstens äußerlich, und dann bemühte sich Lady T. zu meinem großen Vergnügen, mir den entsprechenden Gang, die Haltung und das Betragen beizubringen, was mich sehr an meine kleine Feuerfliege erinnerte, als sie ihren Spaß daran fand, mich in einen Putzmachermeister zu verwandeln.
Außerdem ermahnte mich Lady T., außer Haus wenig und nur leise zu sprechen, damit mein Akzent, der nicht mustergültig war, mich nicht gefährde. Eine weise Vorsichtsregel, gegen die zu verstoßen ich nicht verfehlte, als ich mit ihr über die London Bridge wandelte und auf den Mauern abgeschlagene Köpfe sah.
»Ha«, sagte ich, »welch grausiger Anblick! Werden hier immer die Häupter der Hingerichteten ausgestellt?«
|328| »Nein«, sagte Lady T., »nur, wenn es Verräter an der Königin waren. Diese da sind zweifellos Babington und seine Mitverschworenen.«
Ich weiß nicht, welcher Magnet mich zog, daß ich, mein Schnupftuch vor Nase und Mund haltend, näher trat und die Köpfe einen nach dem anderen betrachtete. Es waren neun, und der neunte, wiewohl von Regen und Wind geschwärzt und von Raben angehackt, war unverkennbar Samarcas’.
»Seht doch, Mylady!« rief ich aufgeregt, »dies ist der Jesuit, von dem ich Euch erzählte! Ein Erzintrigant im Leben wie so leicht kein anderer Höllensohn, ohne eine Spur von Moral und Menschlichkeit, das Kreuz am Hals, in der Hand die Klinge, um seinen Nächsten reinsten Gewissens zu töten, und immer in Gottes Namen.«
»Psst!« sagte Lady T., indem sie mich beim Arm faßte und fortzuziehen suchte, »Ihr redet zu viel und zu laut! Bedenkt doch, wenn Euch jemand hört!«
Und wirklich, fünf, sechs Lehrjungen, die dort bummelten, näherten sich uns, und ein dicker, dreister Bursche, gute sechs Fuß hoch, verstellte uns den Weg und sprach Lady T. schamlos an.
»Madam, ist das ein Fremder? Etwa ein Franzose?«
»Beides nicht«, sagte Lady T., ohne mit der Wimper zu zucken. »Er ist Waliser und nicht recht bei Troste. Er redet zum Kopf dieses Verräters und erwartet, daß der ihm Antwort gibt.«
Was ich auch sogleich zu tun begann, ich rollte die Augen, schnitt Grimassen, verrenkte meinen Körper, und das mit solchem Erfolg, daß die Lehrjungen vor Lachen platzten und uns bis zu unserer Kutsche nicht mehr von der Seite wichen, ist es den Engländern doch eine große Sonntagsbelustigung, die Verrückten im Asyl von Bedlam zu besichtigen, »weil sie alle selbst ein bißchen verrückt sind«, wie Lady T. lachend sagte, als wir hinter geschlossenem Schlag und Vorhang in Sicherheit waren.
Umgeben von ihrem Rat, empfing Elisabeth I. am 28. November Monsieur de Bellièvre mit allem Zeremoniell, aber nicht in Whitehall, sondern in Richmond, das auch eines ihrer Schlösser ist, und eines der schönsten. Ich aber hatte nur Augen für die große Königin, der reformierten Religion höchster Hort |329| und Halt, ohne die unser hugenottischer Glaube von Philipp II. überall auf der Welt längst ausgerottet wäre. Körperlich groß war sie nicht, soweit ich sah (denn sie saß auf ihrem Thron), aber gerade und schlank und in ein Prunkgewand aus Purpur und Gold gekleidet, wie ich seinesgleichen niemals sah. Ein wunderbarer, im Nacken aufgestellter Spitzenkragen endete beiderseits des Busenausschnitts, den ein Perlengehänge mit einem unglaublich großen Rubin zierte. Perlen von ebenso beträchtlicher Größe hingen an ihren Ohren, und eine weitere desselben Formats schimmerte zwischen zwei Hörnern gebauschter, hellroter Haare an einer Art Diadem, das kokett auf die rechte Kopfseite gerückt war und das ein Kranz weißer Federchen und wiederum eine Perle krönte. Was das Gesicht anging, fand ich, um die Wahrheit zu sagen, das Kinn nahezu männlich, die Nase ein wenig lang, die Lippen dünn und prüde, aber die Augen waren sehr schön, sehr lebhaft, sprechend, geistvoll und in ständiger Bewegung. Bald erfaßten sie Monsieur de Bellièvre, bald die schönen Edelleute seines Gefolges, ohne indes das Wesentliche zu versäumen – das Betragen meines derzeitigen Herrn gegen sie.
Pomponne Pompös, der seit Paris nicht aufgehört hatte, an seiner Rede zu schleifen und zu feilen, strafte seinen Beinamen wahrlich nicht Lügen und entfaltete eine volle Stunde seinen Schwulst, eher
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