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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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einzusehen, daß er durch weiteres Insistieren nichts gewänne, dankte Elisabeth weitschweifig für ihre Güte, ihn empfangen zu haben, worauf die Königin einige Freundlichkeiten zu ihm sagte und ihn gnädigst entließ, während ihre Räte starr vor sich hin sahen wie die Felsen von Dover.
    Als wir Richmond verließen, erbat ich mir von Monsieur de Bellièvre meinerseits Urlaub, und einige im Gefolge lächelten einverständig, als ich die Kutsche von Lady T. bestieg, die mich vorm Portal erwartete.
    »Ha, Mylady!« rief ich, sobald die Gardine niedergelassen war, und bedeckte ihre Hand mit Küssen, »was habt Ihr für eine bewunderungswürdige Königin! Mit welch erstaunlichem, ebenso weiblichem wie männlichem Geist sie ihren Staat begreift und ihre Untertanen regiert! Wie würde ich sie lieben und ihr frohen Herzens, auch unter Einsatz meines Lebens, dienen, wenn ich Engländer wäre!«
    »Monsieur«, sagte Lady T. mit belustigtem Lächeln, »deshalb müßt Ihr mir die Hand nicht derart lecken: Ihr macht das wieder mit einer
furia francese
1 , als wolltet Ihr sie fressen – was im übrigen jetzt ganz unnötig ist, denn wir sind nicht in der Öffentlichkeit.«
    |332| Damit gab sie mir einen kleinen Klaps auf die Hand, wie es ihrem liebevollen und schalkhaften Umgang mit mir entsprach. Und ich, in der engen Kutsche an ihre schöne, runde Schulter gedrückt, blickte sie entzückt an, erregt von dem Gedanken, daß sie mich vielleicht lieben würde, stünden ihre und meine Verpflichtungen dem nicht entgegen.
    »Die Königin«, sagte Lady T., als wir in ihrem Hause beim Abendessen saßen, »ist im Thronsaal ebenso königlich, wie sie liebenswert im Privaten ist. Ganz versessen darauf, ihren Ministern Spitznamen zu geben, nennt sie Leicester ›meine Augen‹, Hatton ›meine Lider‹ und Walsingham den ›Mohren‹. Der verstorbene Bruder Eures königlichen Herrn, der Herzog von Alençon, den sie sehr liebte, ohne daß sie sich entschließen konnte, ihn zu heiraten, weil er Katholik war, hieß bei ihr ›mein Frosch‹ und sein persönlicher Gesandter, der charmante Monsieur de Simier, ›mein Affe‹.«
    »Warum«, fragte ich, »nennt sie Walsingham den ›Moh ren ‹?«
    »Weil er so dunkel an Haut und Haar ist, als stammte er aus Algier. Erschreckt nur nicht, wenn Ihr ihm begegnet.«
    In dem Moment hörte man Geräusche im Vorzimmer, und die Zofe führte die Dame mit dem Ring herein, die mich, wie man sich erinnern wird, am 22. in der »Pope’s Head Tavern« geweckt hatte.
    »Monsieur le Chevalier«, sagte sie, »es ist soweit (und mir pochte das Herz gegen die Rippen). Beliebt diese Maske anzulegen.«
     
    Als mir diese etliche Minuten später abgenommen wurde, befand ich mich in einem Thronsaal, aber nicht zu Richmond, sondern in einem anderen Schloß, dessen Namen ich nicht weiß. Die Engländer nennen diesen Saal
the Presence Chamber
, ein treffender Ausdruck, dünkt mich, weil er die Aufmerksamkeit nicht auf den Thron lenkt, sondern auf die Anwesenheit des Herrschers, der auch abwesend verehrt wird. Was sich im Gebaren der Diener zeigte, die den Tisch für die Königin deckten: wenn sie, einer nach dem anderen, das Tischtuch, das Salz, den Teller, das Messer, den Wein hereinbrachten, fiel jeder beim Kommen und Gehen dreimal vor dem Baldachin ins Knie, als wäre Elisabeth zugegen. Natürlich zog sich die Sache |333| durch diese Zeremonien ein wenig in die Länge, und noch mehr verlängert wurde sie durch die Aufgabe der Vorkosterin,
the lady-taster,
die nicht, wie der Leser denken mag, ein jedes Gericht kostete, um einer Vergiftung Ihrer Majestät vorzubeugen, sondern zu diesem Zweck kleine Stücke davon unter die Diener verteilte, ein Brauch, den diese in großer Ehre zu halten schienen, so gefährlich er für jeden einzelnen auch war.
    Nachdem die Vorsichtsmaßnahme für sämtliche Gerichte erfolgt und niemand umgefallen war, dachte ich, würde die Königin erscheinen. Doch statt ihrer erschien ein riesenhafter Türsteher mit einem an beiden Enden vergoldeten Bambusstock, hinter sich einen bunten Schwarm hübscher junger Kammerfrauen, die sich alles dessen bemächtigten, was auf der Tafel war, einschließlich des Tischtuchs und des Gedecks, in ihren weiten Reifröcken herumwirbelten und verschwanden, wie sie gekommen waren. Hiernach vermutete ich, daß die Königin ihr Mahl in einem Privatgemach einnahm, und machte mich auf eine Stunde Warten gefaßt, doch kam bereits zehn Minuten darauf der lange Türsteher

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