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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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mit dem Stab wieder und sagte, Ihre Majestät habe gespeist und wolle mich sehen. Lady T. bestätigte mir später, daß die Königin, im Gegensatz zu ihrem Vater Heinrich VIII., der Fleisch, Wein und Weib übermäßig zugetan war, nur wenig aß und noch weniger trank. Hingegen schien sie, was Männer anlangte, auch wenn sie sich die »jungfräuliche Königin« nennen und von ihren Dichtern als solche feiern ließ, nicht so enthaltsam, wie sie es ihre Untertanen und ihr Jahrhundert glauben machen wollte.
    Obwohl ich seit meiner Ankunft in London tagtäglich im stillen wiederholt hatte, was ich der Königin sagen wollte, zitterten mir die Knie und schlug mir das Herz wie ein Trommelwirbel, als der Türsteher mich in ihr Gemach führte. Sie gewahrte mich zunächst gar nicht, weil sie einen Brief las, wobei ihr ein Gentleman zu ihrer Rechten aufmerksamst mit den Augen folgte, in welchem ich nach seinem dunklen Teint Walsingham erkannte, wenn auch nicht nach seinen Haaren, die weiß und schütter unter einem Käppchen herabfielen und ein hageres, strenges Gesicht rahmten, das in einem spärlichen, kleinen Spitzbart endete. Sein Körper wirkte engbrüstig, alt und gebrechlich (obwohl er erst sechsundfünfzig Jahre alt war), doch der Glanz seiner sehr tiefliegenden schwarzen Augen |334| dünkte mich nicht leicht zu ertragen. Hinter ihm stand Mister Mundane, sein Adjunkt, wette ich, und der einzige, der mir bei meinem Eintritt zulächelte. Was Lady Markby anging, die Dame mit dem Ring, so stand sie hinter der Königin und las, über deren Schulter gebeugt, den Brief ebenfalls und mit Elisabeths Einverständnis, die sogar mit dem Umblättern wartete, bis jene fertiggelesen hatte.
    »Schön«, sagte endlich die Königin, »das ist ausgezeichnet,
my moor
1 . Der Brief kann morgen abgehen.«
    »Dann beliebe Eure Majestät zu unterschreiben«, sagte Walsingham, indem er eine Feder ins Tintenfaß tauchte und der Königin reichte.
    »Ach,
my moor
«, sagte die Königin mutwillig, »mir tut mein Daumen weh. Ich kann die Feder nicht halten, ich unterschreibe morgen.«
    »Majestät«, sagte Walsingham, »wenn Euer Daumen die Gicht hat, muß man etwas dagegen tun.«
    »Was!« schrie Elisabeth, die plötzlich mit zürnender Miene emporsprang und im Raum auf und ab lief, wobei sie Walsingham, Mundane und Lady Markby entrüstete Blicke zuwarf. »Wer vermißt sich zu sagen, der königliche Daumen habe die Gicht? Bei Gottes Tod, nie habe ich etwas so Unverschämtes gehört! Dieser Daumen«, fuhr sie fort, indem sie ihn wie zur Anklage vorstreckte, »hat die Dreistigkeit, hart und geschwollen zu sein und zu schmerzen. Aber bei allen Wunden des Herrn behaupte ich, daß dieser Daumen nicht die Gicht hat! Er kann nicht die Gicht haben! Bei Gottes Tod, er würde sich nicht erlauben, die Gicht zu haben!«
    Hierauf lächelte sie plötzlich, als amüsiere sie ihre eigene Erklärung, und fuhr halb ernst, halb scherzend fort: »Im übrigen, wer hat gesagt, daß er mir weh tut? Er tut mir überhaupt nicht weh! Und wenn ich den Brief heute abend nicht unterschreibe, so, weil ich nicht will. Hast du verstanden,
moor ?«
    »Ja, Majestät«, sagte Walsingham seufzend, und Mundane und Lady Markby tauschten ein heimliches Lächeln. Und ich dachte bei mir, wenn die Engländer auf dem Kontinent in dem Ruf standen, einen kleinen Sparren zu haben, so offenbar, weil ihnen das Beispiel von oben kam.
    |335| »Es mag sein«, sagte die Königin, »daß einige am Hof eine schwankende Gesundheit haben, aber ich will, daß alle wissen und es sich merken, daß die Fürstin dieses Reiches eine eiserne Gesundheit hat!«
    »Ich werde es nicht versäumen, Majestät«, sagte Walsingham.
    »Und gebt auch überall bekannt,
my moor
«, sagte die Königin mit dem liebreichsten Blick auf ihn, »daß es auch meinem Staatssekretär ausgezeichnet geht.«
    »Ich gebe es bekannt«, sagte Walsingham wiederum seufzend, dann hüstelte er, einen schwermütigen Schleier in den tiefliegenden schwarzen Augen, litt er doch bereits an einer Krankheit, die er nicht mehr auszuheilen vermochte, weil er seine Tage und Nächte dem leidenschaftlichen Dienst für die Königin opferte, ohne Rast und Ruh, und daran knappe vier Jahre später starb.
    »Ah«, sagte die Königin, als ihre Augen plötzlich auf mich fielen, »wer ist das?«
    Worauf Lady Markby sich niederbeugte und ihr einige Worte ins Ohr raunte.
    »Tretet näher, Chevalier de Siorac«, sagte die Königin.
    Was ich tat, doch mit so

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