Noch immer schwelt die Glut
hätte man seine Leiche überall herumgeführt. Also lebt er.«
»Nun das Gute«, sagte ich, das Schlimmste befürchtend.
»Das große fremde Heer, von dem es hieß, daß es in Lothringen bleiben sollte, hat das Reich überschwemmt, weil die beiden Befehlshaber sich uneins waren, einer sagte hü!, der andere hott! Schließlich wurde es vom Herzog von Guise bei Vimory überrumpelt und geschlagen, zweitausend sind gefallen.«
»Und wo sind die anderen zwanzigtausend?« fragte ich.
»Weiß ich nicht«, sagte Pfarrer Ameline, etwas überrascht offenbar, daß ich mich nicht wie erwartet freute.
Ich bemerkte es und sagte nicht ohne Ernst: »Das Gute und das Schlechte halten sich die Waage, denke ich. Warten wir ab, was einerseits aus Navarra und andererseits, was aus den beträchtlichen Resten des fremden Heeres geworden ist, um zu sehen, ob es Anlaß zur Freude gibt.«
»Ha!« sagte Pfarrer Ameline, »den gibt es doch aber! Der Sieg des Herzogs von Guise wurde allenthalben mit großer Genugtuung und Freude aufgenommen! In Paris werden Freudenfeuer |365| veranstaltet, Berichte gedruckt oder auf den Straßen ausgeschrien, überall gibt es den Deutschreitern abgenommene Standarten, Te Deum in allen Kirchen, öffentliche Dankgebete.«
Ha! dachte ich, das sieht der Liga ähnlich! Ein Spatz wird zum Adler gemacht und ein Wurm zum Papagei, der dem Erdkreis die erhabenen Tugenden des neuen Sankt Georg vorschnattert. Ich wette, die Montpensier ist voll in ihrem Element, ellenweise Taft zu kaufen und die eroberten Feldzeichen des Feindes zu fälschen! Und was für ein nicht endendes frenetisches Geschrei von den Kanzeln muß das sein zu Guises großem Ruhm!
Es kostete mich einige Mühe, dem Pfarrer Ameline mein geheimes Zähneknirschen zu verbergen. Und weil ich fürchtete, er werde sich meinen Mangel an Begeisterung merken, gab ich ihm zum Abschied einige Ecus für das neue Dach seiner Pfarre.
Anne von Joyeuse hatte ich in Montpellier gekannt, als er noch keine fünf Jahre alt war und sicherlich der hübscheste kleine Junge der Schöpfung, ein Kind wie Lilien und Rosen, die Haare wie Gold, die Augen blau und so lieblich und offen, daß man ihn nicht ansehen konnte, ohne ganz vernarrt zu sein. Als ich ihn zum erstenmal sah, stand er neben seinem Vater, dem Vicomte von Joyeuse, Gouverneur zu Montpellier, der – welch unerhörtes Raffinement! – mit einer kleinen Forke aß, einer verkleinerten Heugabel, die Heinrich III. am Hof eingeführt hatte, zum großen Skandal der Frömmler, und Gabel nannte.
Anne, dessen Bild sich damals in so lebhaften und bezaubernden Farben meinem Gedächtnis einprägte, war gerade so groß, daß sein Blondschopf den Tisch überragte, an dem sein Vater saß, aber nicht viel. Er war ganz in hellblaue Seide gekleidet, ohne Krause, nur einen großen Umschlagkragen um den zarten Hals. Lebhaft, schelmisch, fröhlich, aber bereits sehr gut erzogen, blickte er bald mit rührender Liebe zu seinem Vater hoch, bald mit Begier auf den goldenen Teller, wo Monsieur de Joyeuse sein Fleisch zerschnitt, und entdeckte er ein Stückchen, das ihn besonders verlockte, zeigte er mit seinem rosigen Finger darauf.
|366| »Darf ich, Herr Vater?« fragte er mit seiner süßen Stimme, wie ein Vögelchen.
Und dann lächelte Monsieur de Joyeuse und sagte sehr höflich: »Ihr dürft, Anne.«
In der Folge sah ich den kleinen Anne noch oft, hatte ich Espoumel doch kleine Holzsoldaten für ihn schnitzen lassen, Franzosen sowohl wie Engländer, mit denen ich ihm, vermittels ebenfalls hierzu angefertigter Befestigungen, die Belagerung von Calais vorführte, über die ich genau Bescheid wußte, weil mein Vater ruhmvoll daran beteiligt gewesen war. Und überließ ich ihm dann den Stab, um seine Soldaten in die Breschen zu schicken, die unsere Kartaunen in die Wälle gebrochen hatten, verzweifelte ich, daß er jedesmal denselben Fehler machte, seine Reserven auf einen Schlag auszuschöpfen und keine zurückzubehalten.
Dann sah ich ihn am Hof wieder, als er achtzehn war und die Liebe des Königs gewann. Er war in jenem Alter so bewundernswürdig schön, daß ein Dichter ihn mit einer Blume vergleichen konnte, ohne Spott zu erwecken. Nur hatte diese Bewunderung das Eigene, daß sie bei Anne selbst begann, denn er war so in sich selbst verliebt und von sich berauscht, daß keine Vernunft mehr etwas über ihn vermochte und er sich jeder Laune seiner wechselnden Stimmungen ergab.
Alle diese Fehler – die den König derart
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