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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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erbitterten, daß er seinen Liebling manchmal sogar schlug – bildeten gleichwohl die Essenz seines Zaubers, der, wie bei einem Kinde, gerade aus seiner Unzugänglichkeit, Gewissenlosigkeit und Leichtfertigkeit bestand.
    Von diesem Leichtsinn lieferte er Beweise, daß es selbst dem Phlegmatischsten die Sprache verschlug. Von Heinrich mit Gunstbeweisen, Titeln, Ländereien, Schlössern und einem unermeßlichen Vermögen überhäuft und einer weit über seinem Rang stehenden Prinzessin anvermählt, setzte er sich insgeheim mit dem Herzog von Guise ins Benehmen und wurde zum Ligisten in der Hoffnung, seine unerhörten Privilegien, im Falle von Heinrichs Tod, zu wahren und zu mehren. Und er fühlte sich todunglücklich, als der König hierauf gegen ihn erkaltete und sein jüngerer Bruder, der Graf von Bouchage, ins Kloster ging, um nicht zwischen ihm und dem König wählen zu müssen.
    |367| Der Leichtsinn des armen kleinen Joyeuse war so gewaltig, daß er glaubte, er könnte zu gleicher Zeit Heinrich verraten und sich seine Liebe erhalten; die wehrlosen Gefangenen von La Motte-Saint-Eloi niedermetzeln lassen und für einen menschlichen Befehlshaber gelten; das Gemetzel von den Predigern feiern lassen und sich die Achtung seines Königs bewahren, der Gemetzel ebensotief verabscheute wie die Prediger.
    Man nannte ihn den »Allerliebsten«. Man hätte ihn den Allerverwöhntesten nennen sollen, denn ob seiner törichten Selbstgefälligkeit verlor er die erste bedeutende Schlacht, die er zu liefern hatte, und als er auf dem Schlachtfeld schrie: »Zehntausend Ecus zu gewinnen!«, machte ihn sein Schrei lediglich zum Ziel einer Pistolenkugel, deren Schütze die Rache für La Motte-Saint-Eloi höher ging als Geldgewinn.
    In Erinnerung an das Kind, das er war, empfand ich einige Rührung über seinen frühen Tod, doch beweinen konnte ich ihn nicht. Tränen hätten sich weder zu seinem Verrat noch zu seinen Grausamkeiten geschickt, waren sie auch nur seinem Leichtsinn entsprungen.
Fructu non foliis arborem aestima.
1
     
    In den ersten Dezembertagen erging ich mich mit Miroul und drei Dienern im Wald von Montfort-l’Amaury, alle fünf bestens bewaffnet, weil die Wälder nie sicher waren, als wir von einem Teich zur Rechten der sogenannten Großmeisterstraße lautes Schreien hörten. In dem Glauben, dort gingen Strauchräuber vielleicht Reisenden an Börse und Kehle, galoppierte ich mit verhängten Zügeln, von meiner Truppe gefolgt, zu dem See und sah, wie Holzfäller auf einem jämmerlichen Kahn sich mühten, ein Weib aus dem Wasser zu ziehen, das, anstatt ihre Hilfe anzunehmen, sich ihr nach Kräften widersetzte und aus voller Kehle schrie, sie wolle sich ertränken, und daran könnten weder Gott noch die gebenedeite Jungfrau sie hindern. Zum Glück schrie sie dies auf okzitanisch, was niemand in der Île-de-France verstand, sonst hätten die armen Holzfäller, vor Schreck über solche Gotteslästerung, ihre Bemühungen womöglich eingestellt, denen ich mich, einen Kahn losmachend, beigesellen wollte und mit Miroul zu der Verzweifelten ruderte. Da ich nun, von ihr ungesehen, rücklings an sie herankam, faßte ich sie |368| beim Kinn und konnte sie mit Mirouls Hilfe an Bord hieven, obwohl sie uns durch ihre wütende Gegenwehr zwei-, dreimal fast zum Kentern brachte. Trotzdem gelang es uns, sie auf den Boden des Kahns zu strecken, indem ich sie mit meinem ganzen Gewicht niederdrückte, was gar nicht lustig war, so triefte sie von eiskaltem Wasser. Und als ich sie derweise ein wenig zur Ruhe zwang und ihr die langen, klatschnassen Haare aus der Stirne strich, konnte ich endlich ihr Gesicht sehen und erkannte voll Verblüffung Zara.
    »Ha! Zara!« rief ich.
    Doch beließ ich es hierbei, bis sie nicht auf der Kruppe meines Pferdes saß und Miroul sie auf mein Geheiß an mir festgebunden und den Holzfällern sodann ein paar Münzen gegeben hatte, worauf sie ihre Mützen zogen und mir, wie Königin Elisabeth gesagt hätte, »zehnmillionenmal« dankten, hatten sie in diesen wenigen Minuten auf dem Wasser doch mehr verdient als in einer ganzen Woche mit Scheitespalten, und obendrein eine Geschichte, die sie am Abend bis Weihnachten erzählen konnten.
    Ich hätte die arme Zara nicht zu fesseln brauchen, denn jetzt war sie kleinlaut geworden und klammerte sich, am ganzen Leibe schlotternd vor Kälte, aus aller Kraft mit den Armen an mir fest, nur flehend, ich möge doch nicht so schnell galoppieren, sie falle! Sie falle gleich! Sie

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