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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Euch Pein zu bereiten.«
    »Pein ist gar kein Ausdruck«, sagte der König, der allmählich wieder Farbe annahm. »Du siehst es, mein Korse: Ich verbiete Guise, den Fuß hierher zu setzen, aber er mißachtet mein Verbot und kommt, obwohl er weiß, daß seine Anwesenheit in Paris der Funke sein wird, der das Pulver in Brand setzt.«
    »Sire«, sagte Alphonso d’Ornano, indem er seine mächtigen Schultern reckte und seine Stimme dröhnen ließ wie eine Orgel, »beliebe Eurer Majestät, mir den Auftrag zu erteilen, und ich lege Euch noch heutigen Tags Guises Kopf zu Füßen, ohne daß irgendwer mich daran hindert.«
    Worauf der König, Augen und Stirn gesenkt, sich eine Zeitlang bedachte, sehr versucht zuzustimmen, denke ich, jedoch zurückschrak vor dem Ja, eingedenk der unvorhersehbaren |417| Folgen, die diese Exekution hier in Paris, das den Herzog vergötterte, auslösen würde, aber auch in der übrigen Nation und in Spanien, konnte sie Philipp II. doch den Vorwand liefern, in Frankreich ebenso einzufallen wie in England. Denn sehr wenige, um das einmal auszusprechen, glaubten in diesem Mai 1588 auch nur im Traum, daß Königin Elisabeth der Unbesieglichen Armada standhalten werde, deren stolze Galeonen und geblähte Segel sich hinter Guises hoher Gestalt abzeichneten, wie er da über den Hof des Louvre schritt, sichtbarlich nur von ein paar Edelleuten begleitet, in Wahrheit aber getragen vom Fanatismus zahlloser Geistlicher, von der Anbetung des dummen Volkes und von den unerschöpflichen Ressourcen des reichsten und mächtigsten Königs der Christenheit.
    Zudem war mein Herr nicht der Mensch, Hals über Kopf eine solche Entscheidung zu treffen, er war ein Mann des Kabinetts, ein Politiker, ein Machiavellist, der die Fäden einer Handlung lange vorher mit Geduld und Augenmaß knüpfte oder löste und sorglich kalkulierte. Und schließlich, wie ich mehrmals schon sagte, verabscheute er Blutvergießen und vergoß es am Ende nur, als er sich rings umstellt und keinen anderen Ausweg mehr sah.
    »Sire«, sagte Alphonso d’Ornano, und seine Hünengestalt bebte von Kopf bis Fuß wegen des seinem König zugefügten Affronts, »soll ich es tun?«
    Und, abgesehen vielleicht von Pomponne Pompös, der als Mann der Königinmutter ein halber Ligist war, blickten alle Anwesenden, voll der Entrüstung über Guises Vermessenheit, mit angehaltenem Atem und nahezu flehentlich auf den König, daß er d’Ornanos Vorschlag zustimmen möge.
    »Sire«, sagte endlich der kleine Abbé d’Elbène und brach mit seiner Flötenstimme das Schweigen, »erlaubt mir, angesichts der gegenwärtigen Situation die Heilige Schrift zu zitieren.«
    »Zitiere, Abbé«, sagte der König, doch ohne aufzublicken. »›Schlage den Hirten, und die Herde wird sich zerstreuen.‹«
    »Sire, soll ich es tun?« wiederholte d’Ornano, durch das heilige Wort in seiner gewalttätigen Idee ermutigt.
    War es nun d’Ornanos dröhnende Stimme, die, selbst wenn sie murmelte, ein ganzes Regiment erreichte, oder eher, wie ich glaube, das Gewicht all unserer erwartungsvoll auf ihn gerichteten Blicke, jedenfalls hob Heinrich den Kopf, bot uns ein ruhiges |418| und gesammeltes Gesicht dar und sah aus seinen schönen schwarzen Augen mit liebevollem Ummut auf d’Ornano.
    »Nein, mein Korse«, sagte er. »Ich will nicht. Noch ist das nicht nötig.«
    Und was mich angeht, so weiß ich wahrlich nicht, ob mein geliebter Herr diesmal recht oder unrecht hatte, auf dem langen Weg der Geduld zu beharren. Die Geschichte hat ja ihr Quälendes, weil ihr Verlauf einem soviel unerträgliches Bedauern bereitet, daß man sich in kindischer Ungeduld gern an die Stelle der großen Akteure des Dramas versetzen und sie sozusagen am Ellbogen anstoßen möchte, wenn sie die geworfenen Karten aufnehmen, damit sie jene Entscheidungen treffen, die uns aus der Kenntnis des Folgenden wünschenswert erscheinen. Aus bequemer Überschau der Zukunft eines Fürsten erliegt der Historiker dann der Versuchung, klüger sein zu wollen als jener, ohne zu bedenken, daß der Fürst seinerseits vor einer undurchschaubaren Gegenwart stand.
    Wer nicht gesehen hat, wie der Herzog von Guise nun die königlichen Gemächer betrat, wahrhaft herrlich in seinem weißen, perlenbestickten Wams, majestätisch in Wuchs und Angesicht, begleitet nicht von seinen edlen Herren – die hatte er im Vorzimmer gelassen –, sondern von seiner Cousine der Königin, von der Königinmutter und deren gewohnter Gefährtin, der Herzogin

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