Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
seit sie sich in ihrer egoistischen Blindheit zuerst mit Alençon verbündet hatte und dann, verhängnisvoller noch, mit Guise, dem Todfeind von Thron und Staat, es trotzdem nicht über sich brachte, sie zu hassen, weil Haß in der Güte seines Wesens keine Wurzeln schlagen konnte; sein Naturell war zu nobel und verzeihend, um einem Gefühl den Boden zu bieten, den es in einer kleineren Seele reichlich gefunden hätte.
    Daß Guise gekommen sei, um sich zu rechtfertigen, sich mit dem König zu einigen, ihm seine picardischen Städte wiederzugeben und zu seiner Pflicht zurückzukehren, davon glaubte Heinrich nicht die kleinste Silbe. Und wenn er schließlich vorgab, es doch zu glauben, so nur, weil er hinter dem Herzog den Mastenwald der Armada emporragen sah und daher beschlossen |423| hatte, ihn nicht umzubringen, das Verdienst daran aber seiner Mutter zuschob, damit sie die Mittlerin zwischen dem Herzog und ihm bleibe, durch welche er sich jederzeit ein Bild von den Absichten dieses Feindes machen konnte, der gewiß furchtbar war, aber schwankend. Und so trieben beide ein subtiles Spiel, bei dem einer den anderen ausfuchste: Katharina unterhöhlte die Macht ihres Sohnes, während sie vorgab, ihm zu dienen, und er gab vor, ihr zu glauben, indem er sie benutzte, um dem Herzog auf die Schliche zu kommen.
    »Madame«, sagte er also, »wenn Ihr Euch dafür stark machen wolltet, daß ich meine picardischen Städte wiederbekomme, und den Herzog überzeugen könntet, schleunigst aus Paris zu verschwinden, wo seine Gegenwart mir ein Verdruß ist, wüßte ich Euch unendlichen Dank. Ich bin Euch für zahllose Wohltaten, die ich von Euch empfing, bereits tief verpflichtet. Und Ihr würdet mich noch mehr verpflichten, wenn Ihr eine gute Versöhnung zwischen dem Herzog und mir bewirken und somit die Wurzel der Kalamitäten abschneiden würdet, in welche zu stürzen wir in Gefahr sind. Doch Ihr seid blaß und schmerzbeladen, Madame. Bitte, kehrt zurück in Euer Bett und hütet es, bis Euer Befinden sich bessert. Was mich angeht, so will ich dem Herzog ein sanfteres Gesicht zeigen.«
    Indem er sich nun mit aller Grazie und mit verschleierter Ironie in den Augen vor ihr verneigte, verließ er die Fensterleibung und trat auf Guise zu, der sich noch immer, wie d’Ornano sagte, hinter den Reifröcken der Königin und der Herzogin von Uzès verschanzt hielt, und sein Blick war jetzt weniger streng, wenngleich ziemlich kühl.
    »Mein Cousin«, sagte er in ruhigerem Ton, »ich gehe jetzt zum Mittagsmahl. Ihr geht zu dem Euren. Kommt nach beendeter Mahlzeit, damit wir unser Gespräch fortsetzen.«
    Hiermit bot er ihm die Hand, welche der Herzog kniefällig und beinahe unterwürfig küßte. Worauf er sich erhob und dem König sogleich einen zweiten Gruß bis zur Erde erwies, mit Kniefällen geizte er nicht. Dann begab er sich, ohne die Königinmutter mehr zu beachten als eine tote Ziege, obwohl sie ihn, wenigstens dem Anschein nach, soeben gerettet hatte, auch ohne aller anderen zu achten, mit großen Schritten zur Tür. Die Hüte auf dem Kopf, rührten Crillon und d’Ornano keinen Finger – er mußte sie allein öffnen – und ermordeten ihn |424| derweil mit Blicken. Und wenn je ein Mensch, denke ich, es kaum fassen konnte, daß er den Louvre nach dem Empfang, der ihm zuerst geworden, lebend verließ, so war es Guise an diesem 9. Mai. Und daß er in seinem tollen Übermut später vergessen konnte, in welcher Gefahr er an jenem Tage war, verwundert mich noch zur Stunde, da ich diese Zeilen schreibe.
     
    Kaum war Guise fort, beurlaubte der König die Damen und Herren, ohne übertriebene Liebe für Bellièvre oder die erlauchten Reifröcke, die den Herzog beschirmt hatten. Und allein nun mit Du Halde, Chicot und mir, beauftragte er mich, nicht nur weiterhin Verbindung mit Mosca zu halten, sondern unverzüglich Straßen und Plätze der Hauptstadt zu durchstreifen und dem Volk auf den Zahn zu fühlen, welches von mir zu fordern er keine Bedenken trage, sagte er, da er beobachtet habe, daß keiner der in seinen Gemächern Weilenden mich in meiner Verkleidung und Barttracht erkannt hatte. Und er wünsche, daß ich nach beendeter Mission zu jeder Tagesstunde, durch das Neue Tor, die Tuilerien und die geheime Pforte, zu ihm komme, ihm die Essenz meiner Erkundungen mitzuteilen.
    Daß der König mich in seiner nahezu verzweifelten Lage mit dieser Aufgabe betraute, beglückte mich, und ich sparte keine Mühe, auch die meines Miroul nicht, durch

Weitere Kostenlose Bücher