Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
scheißt. Heinrich, das sicherste ist, du schickst Aderlaß.«
    |412| »Mit Sicherheit nicht!« sagte der König. »Siorac bliebe in Soissons keine Stunde am Leben, falls er überhaupt so weit käme. Ich werde Guise einen Brief schreiben, den Pomponne überbringen wird. Und Ihr, Herr Generaloberst, beliebt meine Schweizer von Lagny nach Paris zu beordern. Und quartiert sie in den Vororten Saint-Denis und Montmartre ein. Das wird unseren Pariser Ränkeschmieden und Rebellen zu denken geben.«
    Epernon in Rouen, Bellièvre in Soissons, die Schweizer vor den Toren von Paris, das waren exzellente Maßnahmen, allesamt wohl durchdacht, prompt ergriffen und gut ausgeführt, und sie zeigten, daß der König, anders als De l’Etoile und De Thou sagten, weder schlaff noch fahrlässig geworden war, daß er zu handeln verstand, und gut zu handeln, wenn er den rechten Augenblick für gekommen hielt.
    Ohne zu knausern, übergab er Epernon das Gros seiner Truppen, vier Kompanien Reiterei und zweiundzwanzig Banner Fußvolk, und behielt nur die viertausend Schweizer in den Vororten für sich. Und um Epernons Auszug mehr Glanz zu verleihen, geleitete er ihn bis Saint-Germain-en-Laye, wo er ihm Urlaub gab. Dann aber ging er ins Kloster der Hieronomiten zu Vincennes, um sieben volle Tage Buße zu tun, wie er sagte, und solange solle ihn niemand behelligen.
    Eine gewiß seltsame Entscheidung im Trubel der Zeiten, da die Lage so heikel war, daß man sie Stunde um Stunde hätte verfolgen müssen. Doch jeder Mensch hat seine Schwächen, und hierin lag die meines guten Herrn. Er wallfahrtete, reihte sich in Prozessionen, geißelte und kasteite sich in karger, eiskalter Zelle, indem er ohne Ende seinen Rosenkranz aus Totenköpfen abbetete, tausend und aber tausendmal seinen Schöpfer um Vergebung anflehte für seine Gelüste und Lustbarkeiten, die unerträglich schwer auf seinem Gewissen lasteten. Denn nur um diesen Preis fand seine arme Seele für eine Woche Frieden. Und im Gedenken an diese Seelenruhe verliebte er sich gleichsam in die Stille der Klöster und in die Kutten, so daß es ihn allein beim Anblick eines Mönches juckte, der zufällig am Hof erschien. Wie man weiß, war dies sein Untergang.
    Zweimal sah ich Mosca im Verlauf jener Woche, die der König bei den Hieronomiten weilte, während ich selbst bei meiner |413| kleinen Feuerfliege eingemauert war. Und beide Male wiederholte er, daß die Befestigungen des Königs in und um Paris die Ligisten mit Schrecken geschlagen hätten und daß sie in einem Maße auseinanderliefen und abfielen, daß es, wenn Guise nicht bald in der Hauptstadt erschiene und der König sich endlich zu strafen entschlösse, um die Liga geschehen sei.
    »Aber, Mosca«, sagte ich, »wird er kommen?«
    »Ha, Monsieur le Chevalier!« sagte Mosca, »wer würde sich je in Guise auskennen? Er hat so viele verschiedene Gesichter, daß er selbst nicht mehr weiß, welches sein wahres ist. Aber da er gesonnen scheint, dem Thron in unmerklichen Schritten zuzustreben, und nicht auf geradem Weg, eher von der Seite wie ein Krebs, wird er wohl eine große Scheu verspüren, den Rubikon auf einmal zu überschreiten, indem er in unsere Mauern einmarschiert. Außerdem hat seine Position das Ungelegene, daß er zu wenig Truppen hat, um die Picardie zu entblößen und sich in Paris als Feind zu präsentieren – aber um sich wiederum als Freund zu zeigen, hat er dem König zu viele picardische Städte geraubt. Doch stoßen ihn der Spanier und die Liga dermaßen in die Rippen, daß er wohl kommen wird, denke ich, wenn auch zaudernd, so als fürchte er sich. Und trotzdem, selbst dann – Gott schütze den König! – wird er die Pariser Meute entfesseln!

[ Menü ]
    |414| DREIZEHNTES KAPITEL
    Am 9. Mai hielt ich mich in den königlichen Gemächern länger als gewöhnlich auf, weil der König beschäftigt war und mich gebeten hatte zu warten. Ich saß in einer dunklen Ecke auf einer Truhe, den Hut in die Augen gedrückt, weil außer Chicot und Du Halde mehrere andere Herren zugegen waren, so François von O, Pomponne de Bellièvre, der ehrwürdige Doktor Marc Miron, Fogacer – welcher tat, als ob er mich nicht kenne –, der königliche Hofmeister Monsieur de Merle, Alphonso d’Ornano, genannt der Korse, weil er die Korsen Seiner Majestät befehligte, und der kleine Abbé d’Elbène, als Royalist und Anti-Ligist dem König höchst willkommen.
    Der Abbé war ein reger kleiner Mann mit hurtigen Augen wie ein Eichhörnchen, zwar

Weitere Kostenlose Bücher