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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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rechten Seineufer, war mir die Revolte gesitteter erschienen, eher unmutig denn ligistisch, mehr gegen die Herzliebsten am Hofe empört, welche die öffentlichen Gelder verschlangen, als gegen den Herrscher selbst. Hier im Universitätsviertel jedoch schrie der Aufruhr laut nach Kampf, Blut und Königsmord. Überall ging es nur darum, die guisardischen Soldaten, welche die Mönche in den zahllosen Abteien, Klöstern und Kollegien des Viertels versteckt hatten, zu sammeln, mit ihnen die Rue Saint-Jacques hinab, über den Petit-Pont und den Pont Saint-Michel nach der Cité zu ziehen (sich nebenbei des Gerichtspalastes zu bemächtigen), über den Pont Notre-Dame oder die Wechslerbrücke in die Stadt einzufallen, die königlichen Garden anzugreifen und »den schwulen König aus seinem Louvre zu holen«. Was man mit dem Gefangenen machen wollte – diese Worte aus geistlichem Munde hier zu wiederholen weigere ich mich, um nicht meine Feder zu besudeln.
    Auch wenn der Herzog von Guise noch so tat, als wisse er von alldem nichts, sich zweimal am Tag mit dem König traf und ihn mit zugleich versöhnlichen und ausweichenden Reden einzulullen suchte, so mußte ich, der ich in jenen zwei Tagen mit meinem stadtkundigen Miroul Paris durchstreifte, doch feststellen, daß Guises Leutnants, namentlich der Hauptmann |427| von Saint-Paul und der Graf von Brissac, sich desto emsiger betätigten, die Volkserhebung zu organisieren.
    Graf von Brissac war ein großer, gutgewachsener Mann mit rotem Schopf und grünen Augen, man hätte ihn schön genannt, hätte er auf einem Auge nicht geschielt und hätten seine roten Lippen ihm nach der linken Seite nicht herabgehangen, was zusammengenommen eine ziemlich scheele Miene ergab. Im Waffenhandwerk hatte er sich weder zu Felde noch in unserer unglücklichen Seeschlacht bei den Azoren besonders hervorgetan, weshalb der König von ihm gesagt hatte, »Brissac tauge zu Wasser wie zu Lande nichts«. Und für dieses ihm zugetragene Wort haßte der Graf den Herrscher so mörderisch, daß er zum Guisarden geworden war und in diesen zwei Tagen keine Mühe und Arbeit scheute, den Aufstand in den Straßen vorzubereiten, um den König vom Thron zu stoßen, wobei er mit schiefem Maul zu wiederholen pflegte, mochte er auch nichts zu Wasser wie zu Lande taugen, werde er Seiner Majestät doch zeigen, was er auf dem Pflaster tauge, in welchem er endlich sein Element gefunden habe.
    Als ich in diesen zwei Tagen Mosca traf, der sich ja mitten in dem ligistischen Vipernnest bewegte, bestätigte er mir, daß der Tumult unmittelbar bevorstand, die »quasi wunderbare« Erscheinung des Herzogs (wie die Pfaffen es ausdrückten), seine nahezu göttliche Gegenwart in unseren Mauern (wie viele Rosenkränze waren durch Berührung mit seinem Mantel gesegnet worden) hatten die aufgeweichten Entschlüsse neu gefestigt, und die Leidenschaften loderten himmelhoch.
    Am Abend des 10. und 11. trug ich dem König Moscas und meine Beobachtungen vor, welchen er aufmerksam lauschte. Dann sagte er, daß alle Berichte, die er gehört, in derselben düsteren Ankündigung einer von Ligisten und Guisarden angefachten Volkserhebung übereinstimmten und daß ihn vornehmlich die große Zahl von Soldaten beunruhige, die sich im Universitätsviertel versteckt hielten und die der Meuterei ihre Schlagkraft liefern würden.
    Beim zweiten dieser Besuche erfuhr ich von Du Halde, daß Guise sich nicht zum Fortgang aus Paris bewegen ließ, daß Seine Majestät sehr wohl wußte, in welchem Maße der Lothringer insgeheim die Finger in der Revolte hatte, während er ihn als vollendeter Heuchler mit leeren Versprechungen hinhielt, |428| und daß der König nun die im Vorort Saint-Honoré stationierten Schweizer nach Paris einmarschieren lasse, um die Ligisten in ihre Schranken zu weisen und womöglich den Herzog selbst, könne man doch von ihm hoffen, daß er sich bei Ansicht so vieler Truppen in unseren Mauern nach Soissons zurückziehen werde.
     
    In der Nacht vom 11. zum 12. Mai schlief ich schlecht, und als ich gegen Morgen endlich einschlummerte, hatte ich einen bösen Traum. Ich sah mich im Hemd unterm Galgen, den Strick schon um den Hals, und obwohl mir die Hände auf dem Rücken gefesselt waren, wehrte ich mich wie ein Teufel gegen das Weihwasser und schrie entrüstet dem Henker zu, der dem Grafen von Brissac durch sein Schielauge und seinen schiefen Mund sehr ähnelte, ich sei ein Edelmann, am Hofe als der und der bekannt, und wenn man mich mit

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