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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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versprach zu galoppieren. – »Mir scheint aber, Monsieur, daß Sie seit Ihrer Heimkehr nach Mespech |49| nicht eben galoppierten.« – Das kommt, weil ich dieser Zeit in meinem zinnenbewehrten Nest, als an der fröhlichen Tafel noch kein Platz leer blieb, mit großer Wehmut gedenke. – »Sie erschrecken mich, Monsieur! Ist es jemand, den ich liebe?« – Nein, nein. – »Ist es wirklich nicht Ihre Schwester?« – Nein. Sie lebt und ist sehr lebendig zur Stunde, da ich Graubart dies schreibe. Und auf jenem großen Fest am 10. November, Madame, war sie die Königin, wie unser Nachbar Brantôme gesagt hätte. – Oh, ja! Catherine überstrahlte sogar Gertrude du Luc und ihre Gesellschafterin mit einem Glanz, daß es keinen périgurdinischen Edelmann gab, der nicht mit ihr tanzen wollte. Und Baron von Quéribus, der, wie er sagte, all die Schönheiten am Pariser Hof in- und auswendig kannte, war so geblendet von dieser jungen Sonne, daß er sie dreimal aufforderte, und hätte es auch ein viertes Mal getan, hätte mein Vater ihm nicht zugeflüstert, er möge es lassen, um nicht erst Zungen in Bewegung zu setzen. Worein mein Quéribus sich nur sehr ungern und mit niedergeschlagener Miene schickte.
    Obwohl unsere Fronbauern die Wege von Mespech nach Marcuays und von Marcuays nach Puymartin am selben Tag freigeräumt hatten, schneite es während des Balls so dicht und andauernd, daß unsere Pferde und Gertrudes Kutsche, worin unsere drei Damen Platz genommen hatten, auf der Heimkehr nach Mespech der Verwehungen kaum Herr wurden: Ach, und wie ängstigte unsere Verspätung den armen Sauveterre, der in der Bibliothek in Gesellschaft Fogacers auf uns wartete, hatte doch auch er Puymartins Einladung ausgeschlagen. Solcher Festlärm, sagte er, sei nichts für ihn.
    »Mein Neffe«, sagte mir Sauveterre anderntags, in seinem schwarzen Kleide mehr denn je einem duckenden Raben gleich, »Ihr habt an Fogacer einen Freund, den Ihr Euch zum tugendsamen Vorbild nehmen solltet. So jung er auch ist, und Papist obendrein, schätze ich ihn doch dafür, daß er die Gesellschaft eines Alten und eines kleinen Dieners all jenen Dalilas vorzog.«
    »Dalilas, aber Herr Onkel! Auf Puymartin waren die besten Edelleute des Sarladischen Landes versammelt!«
    »Doch nur, um jenen nachzustellen!« sagte Sauveterre bitter. »Wie anders hält es Euer Freund! Wißt Ihr, daß er seinen Pagen das Lesen lehrt, damit sein Geist sich den reinen Lehren öffne? Ein ehrwürdiger Doktor der Medizin, und gibt sich größte |50| Mühe, einen einfachen Diener zum Verständnis der Wahrheit zu erziehen – ich bewundere ihn!«
    Hierauf erwiderte ich nichts, sondern bewunderte im stillen Sauveterres heilige Einfalt und Fogacers Beherrschung seiner selbst. Ach, dachte ich, welch ein Jammer, daß die Härte unserer Sitten ihn zwang, mit geschlossenem Visier durchs Leben zu gehen und scheinheilig zu tun, so daß unser guter Sauveterre zwar die Katze sah und hörte, aber ihr Miauen nicht verstand.
    Es schneite auch nach dem 10. November weiter, der Schnee häufte sich über unserem Land, Wege und Straßen, außer den unseren, waren unbegehbar, ob zu Fuß, ob zu Pferde, man wäre völlig eingesunken. Aus der Abreise von Quéribus wurde also nichts, und obwohl er drei Tage vor dem Ball noch geschworen hatte, ihm siede das Blut vor Ungeduld, an der Seite des Herzogs von Anjou gegen La Rochelle zu kämpfen, war er nun weniger verärgert, als ich erwartet hatte, daß er bleiben und seinen Aufbruch von Woche zu Woche verschieben mußte.
    Daß wir in diesen frostigen Monaten nun allesamt auf Mespech hockten, sahen die Herren Brüder mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mein Vater freute sich, Samson und mich länger um sich zu haben als erhofft, und wenn Sauveterre, der uns herzlich liebte, diese Freude auch teilte, wurde sie ihm doch durch den
odor di femina
und die nicht enden wollende Verschwendung in unseren Mauern bitterlich vergällt. Und ging er in seinem Geiz soweit zu beklagen, wieviel gute Dinge die leckerigen Damen verzehrten, hielt ihm mein Vater entgegen, daß Giacomi, Fogacer und Sylvio dreimal soviel verschlängen. Die seien aber Männer, sagte Sauveterre, und legten, wo nötig, in Haus und Hof mit Hand an, woran die Damen nicht im Traum dächten.
    »Und es kann doch niemand übersehen«, fuhr Sauveterre fort, während er ruhelos durch die Bibliothek humpelte, »daß Eure Dame du Luc ihre Kemenate in einen Palast der Circe verwandelt und unsere Jungen

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