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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Kabinett, ergriff in der Dunkelheit eine feine, kräftige Hand meine Rechte, und eine wohlbekannte Stimme flüsterte: »Ich bin es, Pierre. Sollte der Graf die Tür öffnen, verstecke ich Euch.«
    Wer Graf von Brissac wie ich im Profil gesehen hätte, als er bei Lord Stafford eintrat, hätte ihn einen sehr schönen Mann genannt, denn von der Seite waren weder sein Schielauge noch sein herabgezogener Mund zu sehen. Sein wahres Gesicht, wenn ich so sagen darf, erkannte man erst von vorn. Was mich daran erinnerte, daß auch sein Gebieter Guise zwei verschiedene Profile hatte, denn durch seine große Narbe am linken Auge tränte dieses Auge zuweilen, ohne daß er es hindern konnte. Und wenn er lachte, sah man ihn mit der rechten Gesichtshälfte lachen und mit der linken lachen und weinen in einem, so daß er wie Janus zwei Gesichter hatte, eines so trügerisch wie das andere.
    Von meinem Kabinett aus merkte ich schnell, daß Brissac dem Herzog an Heuchelei und Scheinheiligkeit nicht nachstand, denn zunächst überhäufte er Lord Stafford mit Beteuerungen und Freundschaftsschwüren, die Gold sein wollten und doch tönten wie Blei. Denn am Ende dieses schönen Gebindes kam zum Vorschein, daß der Herrliche eine Garde seiner Leute in die Gesandschaft verlegen wollte, um sie, wie Brissac sagte, vor Einbruch und Plünderung durch das Volk zu schützen.
    »Graf«, sagte Lord Stafford, der sehr wohl verstand, daß man ihm diesen Schutz aufdrängen wollte, um zwischen ihm und Guise ein diplomatisches Band herzustellen, durch welches er die tatsächliche Macht des Herzogs in Paris gewissermaßen anerkannen würde, »ich bin hier kein schlichter Privatmann. Wäre ich es, würde ich die Bewachung gern akzeptieren, die der Herzog von Guise mir so ehrenhaft anbietet und wofür ich ihm sehr danke. Aber da ich als Minister und Gesandter der Königin Elisabeth beim König von Frankreich in Paris lebe, kann ich Wache, Sicherheit und Schutz nicht anders als von der königlichen Autorität annehmen.«
    »Exzellenz«, sagte Brissac betreten, »wir sind entschieden |448| treue Untertanen des Königs.« Bei Gott, dachte ich, würde die Luft, die leider alles duldet, sich jedesmal rot färben, wenn einer lügt, wäre der Graf bald in Purpur getaucht. »Der Herzog von Guise«, fuhr er salbungsvoll fort, »ist nicht nach Paris gekommen, um dem König Tort anzutun, sondern um seine schützenden Fittiche über die Edlen dieser Stadt zu breiten, die ihm anhängen, denn es war ihr Untergang vermittels eines Komplotts vorgesehen, wofür man das Stadthaus mit Galgen und Henkern gefüllt hatte: eine Tatsache, von der ich Ihre Majestät die Königin von England zu informieren bitte.«
    »Ich hörte davon«, sagte Lord Stafford kühl, »eine häßliche Sache, wenn sie wahr wäre, die aber zu beweisen bleibt. Diesen Beweis hätte die Liga durch Vorzeigen der Galgen unschwer liefern können, als das Stadthaus in ihren Händen war; sie hielt dies jedoch nicht für nötig. Aber«, setzte er nicht ohne Ironie hinzu, »wer große Pläne schmiedet, wird seine geheimen Absichten nicht jedermann offenbaren, außer um sie angelegentlich in neue, ihm genehme Farben zu kleiden.«
    So diplomatisch verhüllt dieser Satz auch war, der Öl und Essig gerade richtig dosierte, geriet Brissac, wie ich sehen konnte, denn doch ins Zwinkern, und sein Mund zog sich noch mehr herab.
    »Was ich dazu gesagt habe«, murmelte er, »ist die reine Wahrheit.«
    »Die Wahrheit ist selten rein«, sagte ernst Lord Stafford. »Und ob wahr oder nicht wahr, welcher Vorwand auch immer herhalten mag, den Pariser Aufstand gegen seinen Herrscher zu rechtfertigen – seid versichert, mein lieber Brissac, daß die ausländischen Fürsten ihn übel aufnehmen werden, muß es doch als gefährliches und verhängnisvolles Beispiel erscheinen, wenn der Vasall sich über seinen Herrn erhebt und ihn aus seinem Hause jagt.«
    »Nichtsdestoweniger«, sagte Brissac, durch das Gehörte getroffen, »wüßte ich Euch Dank, Mylord, wenn Ihr Ihrer Majestät der Königin von England die von mir genannten Tatsachen berichten würdet.«
    »Ich werde es tun, mein lieber Brissac«, sagte Lord Stafford, seine Rede ein wenig mit ein paar Tropfen Öl abrundend, »aus Freundschaft zu Euch, aus Wertschätzung für Euren Herrn, aber gleichzeitig gebe ich dem Herzog von Guise kund und zu |449| wissen, daß ich als Gesandter beim König von Frankreich ihm nicht als Interpret oder Dolmetsch bei meiner Gebieterin dienen kann

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