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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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hatte. Ebenso erfuhr ich, daß Heinrich den ehrwürdigen Doktor Marc Miron beauftragt hatte, zwischen ihm und den lothringischen Prinzen zu vermitteln, und daß es zu einer Einigung gekommen sei, indem der König in seiner extrem schwachen Position allen Forderungen des Herzogs von Guise nachgab, etwa daß Navarra als Ketzer von der Thronfolge ausgeschlossen, daß Epernon in Ungnade entlassen und er selbst zum Generalleutnant der Armeen ernannt werde, und endlich sollten im Herbst die Generalstände einberufen werden, um die Mißstände im Reich abzustellen, wobei, wollte man mit dem größten beginnen, meiner Ansicht nach als erster Guise abgeschafft gehörte.
    Dann kam Ende August mein Quéribus mit großer Eskorte und berichtete in seiner leichten, scherzenden Art die Neuigkeiten vom kleinen Hof zu Chartres, wo man sich nicht eben auf die Füße trat, wie sich denken läßt, war eine sinkende Sonne doch weniger anziehend als das Gestirn, welches man in seiner Morgenröte einst in Paris emporsteigen sah.
    Wie wahrhaft seltsam: Dieses Augustende, als Quéribus auf meiner kleinen Herrschaft Chêne Rogneux erschien, entsprach so gar nicht der Jahreszeit, immer regnete, windete und gewitterte es, und Gertrude, die von einem Verwandtenbesuch in der Normandie zurückkehrte, brachte die Neuigkeit mit, daß diese ständigen Unwetter von jenseits des Ozeans kämen, dort wüte seit einem Monat ein ungeheurer Sturm, ohne Rast noch Ruhe zu kennen. Wie dem auch sei, die Kälte war groß und fuhr einem derart in die Glieder, daß ich im Kamin meiner Bibliothek ein starkes Feuer machen ließ, das übrigens zugleich willkommenes Licht verbreitete, da der Himmel immer grau und trübsinnig war.
    »Mein Bruder«, sagte ich, während wir uns bald Brust, bald Rücken am Feuer wärmten, »wie ist es nur möglich, daß der König dem Guise in allem nachgegeben hat?«
    »Die Wahrheit ist die«, sagte Quéribus, der sich ja gern seiner |454| Vertrautheit mit dem Herrscher rühmte. »Als der arme Heinrich Guises Forderungen erfüllte, hielt er ein Auge auf Paris gerichtet und das andere auf die Unbesiegliche Armada, die zur selben Zeit gen England segelte und deren Sieg er für unausweichlich hielt, sosehr er auch auf beiden Knien betete, es möge nicht sein. Seine Augen peilten Verschiedenes an, er schielte wie Brissac, und Guises Forderungen schienen ihm Tand und Trödel. Er sagte in Bausch und Bogen ja, indem er sich vorbehielt, im einzelnen nein zu sagen, sobald er die fallengelassenen Fäden wieder aufnähme. Im übrigen, mein Herr Bruder, hat er in Chartres soviel Geld wie auf meiner flachen Hand! Kein einziger Sou ist mehr da, um die Schweizer zu besolden, die ihm aber trotzdem die Treue halten. Aus diesem Grunde auch akzeptierte der König die Generalstände, hofft er doch, ihnen Geld für den Krieg gegen die Hugenotten abzuzwacken, das er, einmal erhalten, seinen eigenen Zwecken zuführen wird, wie schon geschehen.«
    »Und was ist mit Epernons Ungnade?« fragte ich.
    »Purer Schein, so wie seinerzeit die Eure. Epernon hat sein Gouvernement Normandie gegen das Gouvernement Angoumois getauscht, wo er den König bequem in geheime Verbindung mit Navarra setzen kann, der unweit Truppen liegen hat.«
    »Ihr meint also«, fragte ich, noch zweifelnd, »der König hat, wie er gerne sagt, die Segel gestrichen?«
    »Davon bin ich überzeugt. Hört nur, wie es weiterging: Nach der Einigung zwischen dem König und Guise, genannt das Einigkeitsedikt – das indessen Uneinigkeit und Bürgerkrieg vorbereitet –, gab Guise die Königin und die Königinmutter frei, die er seit der Flucht des Königs in Paris gefangenhielt.«
    »Was?« sagte ich erstaunt, »er hatte die Stirn, sie gefangenzuhalten?«
    »Mit vielen Handküssen, Hutschwenken und Kniefällen: Ihr kennt den Gleisner. Doch schließlich durften sie Paris vor besagtem Einigkeitsedikt nicht verlassen – was sie nach dessen Unterzeichnung konnten. Und als beide nach Chartres kamen, heftete sich die Königinmutter, guisardischer denn je, weil sie Guise unter vollen Segeln und die Armada siegreich glaubt, sogleich an den König wie die Bremse an die Pferdekruppe.«
    »Und das ließ er sich gefallen?«
    »Ihr werdet sehen. Die Szene ereignete sich in den königlichen |455| Gemächern im Bischofspalast zu Chartres, und ich gehörte zu den wenigen Zeugen, und wenn manche Euch erzählen wollen, sie seien dabeigewesen, glaubt ihnen nicht, denn zugegen waren nur Du Halde, Chicot, François von O,

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