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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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verlocken? Das Katharina ihr jedoch mit einer Einfalt unterbreitete, die der plumpesten Dummheit nahe kam. In diesem Falle ebenso wie in dem erwähnten – die Rückkehr des Königs nach Paris betreffend, jenes unheilvolle Ersuchen, das der König ihr trotz seines »guten Naturells« niemals verzieh – weiß ich nicht zu entscheiden, ob man es mit der Perfidie einer böswilligen Mutter oder aber mit einer Gläubigkeit zu tun hat, die bei dieser alten Intrigenspinnerin allerdings unfaßlich anmutet. Leser, ich überlasse dir die Entscheidung. Denn ich, der ich Katharina seit der Bartholomäusnacht tief verabscheue, mißtraue hier meinem Urteil, möchte es aber auch ihr gegenüber nicht an der Gerechtigkeit fehlen lassen, die du von mir erwartest.
     
    »Mein Bruder«, sagte Quéribus, nachdem er getrunken hatte und seine Erzählung wieder aufnahm, »sosehr Guise auch die Nase rümpfte und so lang sein Gesicht auch wurde, als der König Hugenotten und Barrikadisten in einem Atemzug nannte, war dies doch noch gar nichts im Vergleich mit dem Maul, das er zog, als drei Wochen später die Meldung eintraf …«
    »Welche Meldung?« fragte ich, weil er verstummte.
    »Daß die Unbesiegliche Armada besiegt war!«
    »Ist das wahr?« schrie ich und sprang von meinem Sitz, und Miroul ebenso. »Die Armada besiegt! Die Unbesiegliche Armada besiegt! Seid Ihr dessen ganz sicher?«
    »Völlig sicher.«
    »Beim Donner! Ist das wahr? Ist das wirklich wahr? Mein Bruder, seid Ihr auch ganz bei Sinnen?«
    »Ganz!« sagte Quéribus lachend, »oder sehe ich aus wie ein Narr? Oder ein Wahnwitziger?«
    »Beim Himmel!« schrie ich aus voller Kehle und zappelte an Kopf und Gliedern wahrhaftig wie einer, der den Verstand verloren hat, »der Wahnwitzige bin ich! Die Armada besiegt! Miroul, hast du das gehört? Die Armada besiegt! Mein Bruder, warum habt ihr das nicht gleich gesagt?«
    |460| »Mein Pierre«, versetzte Quéribus, »bei einer Erzählung braucht es Maß und Steigerung ebenso wie bei einer Mahlzeit: Das Beste hebt man auf zum Schluß!«
    »Aber die Armada, beim Ochsenhorn! Die Armada besiegt! Ha! Wackeres England! Gute Engländer! Tapferes, wahrhaft erhabenes Volk! Und auf alle Zeit vom Herrn gesegnet!«
    Und tanzend in meiner überschäumenden Freude – Miroul und Quéribus waren nicht weniger begeistert –, schloß ich Quéribus in die Arme, dann Miroul, dann wieder Quéribus, der zu meiner Überraschung sogar Miroul umarmte, so niedrig geboren er auch war.
    »Hafen der Gnade!« rief ich und sank in einen Lehnstuhl nach diesem Freudenüberschwang, »welch ungeheure Last fällt uns vom Herzen! Gelobt sei Gott der Herr in alle Ewigkeit!«
    »Amen!« sagte Miroul.
    Und da wir einander ansahen, standen uns plötzlich Tränen in den Augen, und wir fielen auf die Knie nieder und sandten dem Allerhöchsten ein glühendes Dankgebet.
    »Ha, Hugenotten ihr!« sagte Quéribus, als wir geendet, »wie kann man außerhalb einer Kirche oder Kapelle beten?«
    »Gott ist überall«, sagte Miroul.
    »Gewiß! Gewiß!« sagte Quéribus, indem er dieses Wort parodistisch verwandte, weil es in dem Ruf stand, bei den Unseren sehr gebräuchlich zu sein.
    Worauf wir lachten.
    »Mein Bruder«, sagte ich, als wir uns alle drei beruhigt hatten, »und nun erzählt, was Ihr irgend über diesen wunderbaren Sieg wißt, welcher der Hydra der Inquisition die Köpfe abschlägt.«
    »Leider nicht alle«, sagte Quéribus, »uns bleiben noch etliche in Frankreich. Aber, um die Wahrheit zu gestehen, ich weiß wenig über die Niederlage der Armada, nur daß Admiral Drake über kleinere, leichtere und beweglichere Schiffe gebot als die schweren spanischen Galeonen, daß er sie auch besser mit Kanonen bestückt hatte und in dieser gewaltigen Flotte bereits am ersten Tag große Verwüstungen anrichtete, am zweiten Tag aber noch größere, indem er die Gezeiten nützte, um die Formation durch einen Branderangriff zu zersprengen. Und was Drake begann, das vollendeten die Herbststürme, indem sie |461| diese Monumente der Ungerechtigkeit zerstreuten, zerschlugen und versenkten. Aber, mein Herr Bruder, das Ergötzlichste dabei war, wie Mendoza zum König kam.«
    »Was?« sagte ich, »Mendoza? Mendoza in Chartres? Ich dachte, er sei als einziger Gesandter bei Guise in Paris geblieben?«
    »Das ist die pure Wahrheit. Aber da er das falsche Gerücht hörte, nämlich daß die Armada gesiegt habe, raste er in seiner Kutsche nach Chartres, um es triumphierend dem König zu

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