Noch immer schwelt die Glut
Euch demütig, Madame, nicht weiter in mich zu dringen. Ihr würdet mich erbosen. Ich gehe nicht nach Paris.‹
›Ha, Monsieur!‹ rief die Königin und weinte, doch Ihr kennt sie ja, Pierre: hartes Herz, schnelle Tränen. ›Ich sehe schon, woran es liegt. Die Sache mit den Barrikaden ist es, welche Euch diese rachsüchtige Binde vor die Augen legt, daß Ihr den Gebrauch der klaren Vernunft gänzlich verliert.‹
›Was für Euch Vernunft, ist für mich reine Torheit‹, entgegnete der König schroff, ohne sich umzuwenden.
›Ach, mein Sohn!‹ rief die Königinmutter, ›ist es möglich, daß Ihr Euer gutes Wesen plötzlich geändert habt? Denn immer habe ich Euch zugänglich gekannt, von sanftem und leicht vergebendem Gemüt.‹
›Was Ihr sagt, ist wahr, Madame‹, versetzte der König, indem er sich ihr zuwandte und mit halbem Mund lächelte, ›doch was kann ich dafür? Man hat mich verändert. Auch das ist wahr!‹
Und unversehens brach er in Lachen aus.
›Es ist der böse Epernon, wie jeder weiß‹, rief er, ›der hat mein gutes Naturell verdorben! Weshalb er bei mir auch in Ungnade fiel!‹
Hiermit lachte er ihr spöttisch ins Gesicht, verneigte sich tief und enteilte.«
»Dieser Bruch zwischen Katharina und dem König«, fuhr Quéribus fort, »ereignete sich am Samstag, dem 30. Juli. Und am Dienstag, dem 2. August, kam Guise nach Chartres, und nun, mein Bruder, da Ihr ihn kennt, stellt Euch das Hüteschwenken und die Kniefälle des Herrlichen vor dem König vor, welcher ihn aufhob, ihn umarmte – hätte er ihn doch erwürgt! –, ihn auf beide Wangen küßte und zu Tische lud.
›Mein Cousin‹, sagte der König heiter, als der Mundschenk ihnen eingeschenkt hatte, ›worauf trinken wir?‹
›Sire‹, sagte der Herzog von Guise, ›auf alles, was Euch beliebt. An Euch ist es zu befehlen. Ich werde Euch gern gehorchen.‹
|458| ›Nun denn‹, sagte der König mit spöttischem Lächeln, ›trin ken wir auf unsere guten hugenottischen Freunde!‹
›Schön, schön!‹ sagte der Herzog entzückt, denn er verstand die kleine Bosheit dieses Toastes.
›Aber trinken wir auch‹, sagte der König, ›auf unsere Barrikadisten in Paris. Trinken wir auch auf sie! Wir wollen sie nicht vergessen!‹
Worauf der Herzog von Guise lachte, aber das Lachen blieb ihm ein wenig im Halse stecken, weil es ihn doch sehr beunruhigte, daß der König Hugenotten und Barrikadisten in einen Topf warf als Rebellen gegen seinen Thron, während Guise nur in ersteren Feinde sah, in letzteren aber Freunde.«
Nachdem Quéribus soviel geredet hatte und soviel auch von Wein, bekam er Durst, und ich bat Miroul, uns Wein in die Bibliothek bringen zu lassen, aber er kam schnell wieder, begierig weiter zu hören, begriff er doch wie ich, daß es um das Schicksal der Welt ging in diesen Stunden, da von Guise und der Armada zwei Königreichen der Untergang drohte. Seine verschiedenfarbigen Augen auf Quéribus gerichtet, der in Erwartung des Trunks verstummt war, schien auch mein Miroul seine Herzschläge zu zählen, Minuten, die uns von einer abenteuerlichen Zukunft trennten.
Während Quéribus schwieg, hing ich meinem Erstaunen darüber nach, daß die Königinmutter dem König dieses sonderbare Ansinnen vorgetragen hatte, nach Paris zurückzukehren. Sollte ich sie für dieses Ersuchen, das ihren Sohn um Freiheit und Leben gebracht hätte, hätte er zugestimmt, für unmenschlich halten oder für naiv? Unter naiv verstehe ich, daß sie vielleicht glaubte, wenn sie Guises Interessen so treulich diente, würde sie sich bei ihm Kredit genug erwerben, um den König zu beschützen, sollten sich die Dinge zum Schlimmsten wenden.
Ich bekenne, daß diese Frage mich noch heute beschäftigt und mir Zweifel an dem Geist erweckt, den man dieser großen Machiavellistin allenthalben zuschreibt. Zumal Pierre de l’Etoile mir einmal sagte, er habe die Kopie eines Briefes gelesen, welchen sie Jahre zuvor an Königin Elisabeth sandte und worin sie vorschlug, einen ihrer Söhne mit Maria Stuart zu vermählen, als diese schon die Gefangene besagter Königin war! Ihr habt recht verstanden! Die katholische Maria Stuart, Ex-Königin |459| von Schottland und noch im Kerker Prätendentin auf Englands Thron, der Elisabeth soviel traute wie dem Giftzahn der giftigsten Schlange, vermählt mit einem Sohn Frankreichs, der ihre Ansprüche unterstützen konnte! Kann man sich ein weniger geeignetes Projekt vorstellen, die englische Herrscherin zu
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