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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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ihr das gehört hättet – ihr hättet gemeint, ein Untertan der Königin Elisabeth sei das seltenste Wesen der Schöpfung.
    »Ist er jung?« fragte Gertrude.
    »Ist er.«
    »Und schön?« fragte Zara.
    »Er hat rote Haare.«
    »Mein Herr Bruder!« rief Gertrude, »wie verächtlich Ihr das sagt! Warum seid Ihr auf einmal so voreingenommen und boshaft? Habt Ihr vor einer Weile nicht Lady Stafford in den Himmel gehoben, gerade weil sie rothaarig ist?«
    »Ja«, sagte ich, »aber Lady Staffords Haare sind von venezianischem Rot. Unser Mann ist karottenrot.«
    Und nach kurzem verließ ich die Damen, denn ohne es zu wissen, hatte Gertrude mich auf eine Idee gebracht, und ich beschloß, der Marschallin von Joyeuse einen Besuch abzustatten.
    Mit einem Billett schickte ich Miroul zu ihr, der heilfroh war, Gertrudes Kutsche sein zu lassen und durch Paris zu stromern, wohl wissend, daß ich ihn diesmal für seine Trödelei |138| nicht rüffeln würde. Und richtig, erst nach dem Mittagessen kam er zurück, nach geschlagenen zwei Stunden, wo eine gereicht hätte. Worauf mir nun aber zwiefache Genugtuung wurde: zum ersten durch die Meldung, daß die Marschallin mich gern empfangen wolle, zum zweiten durch die Gardinenpredigt, die Florine ihrem Mann für seine Verspätung angedeihen ließ, aber so scharf, wie ich es mich nie getraut hätte – und ohne daß er widersprach. Ha! dachte ich, so sind die Männer. Mir gegenüber den Eisenfresser spielen, und vor seiner Florine lammfromm! Jaja, Frauen können die Männer lenken, wie sie wollen, weil sie ihrem Herzen so nahe sind.
     
    Kaum hatte ich das Haus der Marschallin und ihr Vorzimmer betreten, als ich auf jemand anderen stieß (doch wahrlich ohne jedes Ungemach), nämlich Aglaé de Mérol, die ich als Medizinschüler zu Montpellier gut gekannt hatte, wo sie, wie ich schon erzählte, Gesellschafterin von Madame de Joyeuse war, die man derzeit die Vicomtesse nannte, denn ihr Gemahl war Gouverneur der guten Stadt.
    Aglaé verzweifelte damals, sich jemals zu vermählen. Ihr Vater, ein sehr reicher Mann, wollte sie nur einem Edelmann mit wenigstens fünfzigtausend Livres Rente geben, aber die drei Prätendenten im Languedoc, die dieser Anforderung entsprachen, gefielen der Schönen nicht. Hafen der Gnade! Achtzehn Jahre, wie Sand zerronnen, seit ich zum erstenmal das Grübchen dieser hübschen Brünetten küßte! Endlich verwaist, war sie Madame de Joyeuse nach Paris gefolgt und hier dem Marquis de Miroudot begegnet, einem schönen, um zehn Jahre jüngeren Edelmann aus guter, alter Familie, aber arm wie Hiob und mit nichts wie Schulden am Hals. Den heiratete sie.
    Was ihr ebenso wohl wie übel bekam, denn Philippe de Miroudot war zwar ein sehr geistreicher Mann von höchst verfeinertem Geschmack und liebenswertestem Takt, und er wurde ihr ein kostbarer Freund, der ganze Stunden damit verbrachte, sie anzukleiden, zu frisieren, zu schminken, indessen trieb sein Naturell ihn nie weiter, sein Interesse lag anderswo. Unendliche Mühen kostete es die gute Aglaé, sich von ihm ein Kind machen zu lassen, denn ihr junger Gemahl war nur mit halber Backe dabei, sosehr er ihr auch zugetan, von ihrer Gesellschaft entzückt und verliebt in ihre Kleider war. Aglaé |139| wußte dies zu schätzen, und obschon es sie nicht eben erfüllte, zerbrach ihre große Liebe zu Philippe daran doch nicht, sondern verlegte sich aufs Mütterliche, während die Ärmste, was ihr fehlte, bei einem jener Pagen aus der Gosse fand, die bei den Damen des Hofes so hoch im Kurs standen, wie Quéribus erzählt hatte.
    »Monsieur le Chevalier«, sagte Aglaé, die ich wie vor achtzehn Jahren auf ihr Grübchen küßte, »welch eine Freude, Euch zu sehen! Wie bedaure ich, Euch nicht öfter zu begegnen. Wenn man Euch so anschaut … Aber nun bin ich schon über dreißig, und Madame de Joyeuse …«
    »Ach, Madame!« sagte ich nach einem neuerlichen Kuß, diesmal näher dem Mundwinkel als dem Grübchen, »schwei gen wir über das Alter der Marschallin, und was das Eure angeht, seid Ihr gerade so alt wie meine geliebte Angelina. Und ich schwöre, daß die Jahre an Eurer Schönheit ebenso wie an der ihren spurlos vorübergegangen sind.«
    »Monsieur!« sagte sie halb lachend, halb tadelnd, »ich muß wirklich alt sein, wenn Ihr glaubt, Ihr könntet mich mit Euren Übertreibungen hinters Licht führen wie einst Madame de Joyeuse zu Montpellier.«
    »Aber das war etwas ganz anderes! Als ihr Allerliebster war ich ihr das

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