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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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schuldig.«
    »Psst, Monsieur! Schweigt davon still«, sagte Aglaé, indem sie mir den Finger auf den Mund legte und die empfindliche Keuschheit spielte. »Kein Wort mehr in diesem Haus von jener Vergangenheit! Die müßt Ihr augenblicklich vergessen! Genauso wie die Marschallin, die sich im Lauf dieser Jahre, da Ihr sie nicht saht, sehr verändert und der eifrigsten Devotion ergeben hat. Ihr werdet es kaum glauben, Monsieur! Von Essen und Trinken abgesehen, erachten wir unseren Körper nur mehr für ein Nichts, eine schmähliche Hülse. Wir leben hier wie im Kloster, hören jeden Morgen die Messe, beichten jede Woche, verbringen wenigstens zwei Stunden am Tag im Betstuhl und spenden den Armen. Kurz, wir glühen nur noch in der Liebe Gottes!«
    »Wir?«
    »Sie, meine ich.«
    »Hafen der Gnade!« rief ich, »wie kann ich dann hineingehen? Wird mich die Marschallin nicht dafür hassen, daß mein Gesicht ihr die Vergangenheit wachruft?«
    |140| »Nicht, wenn Ihr eine demutvolle, reuige Miene aufsetzt, Monsieur, und wenn Euer Kuß ihre Hand nur streift. Senkt die Lider über den feurigen Augen, haltet Euch unterwürfig und blickt recht tragisch.«
    »Tragisch, Madame! Wo Madame de Joyeuse so viele Gründe hat, sich ihrer Söhne zu rühmen, und der König seinen Allerliebsten mit unerhörten Gnaden überschüttet: Herzog, Pair, Admiral! Und seine Brüder nicht minder: Der Graf von Bouchage ist Großmeister der königlichen Garderobe geworden! Den Bischof erwartet der Kardinalshut! Die drei sind die Größten des Reiches, noch vor Epernon!«
    »Monsieur, ›überschütten‹ ist das treffende Wort. Wir tragen es mit Würde, aber mit tragischer Würde.«
     
    Leser, nie zeigte der scheinheiligste Frömmler eine demütigere Miene als ich, wie ich den Salon der Marschallin von Joyeuse betrat und ihr mit niedergeschlagenen Augen, gekrümmtem Rückgrat und murmelnder Stimme meine Schuldigkeiten erwies. Und meine einstige Herrin und Geliebte nahm sie gnädig entgegen, als wisse sie rein nichts mehr von jenen zurückliegenden Irrungen, gerade so, als wären sie aus ihrem Gedächtnis gelöscht.
    »Monsieur«, sagte sie, »Ihr vernachlässigt mich! Sicherlich lebe ich jetzt so gut wie zurückgezogen von der Welt und ihren Eitelkeiten (offenbar galten ihr das gute Dutzend hoher Herren und Damen nichts, die hier prächtig geputzt erschienen waren, um der Mutter des Allerliebsten den Hof zu machen). Doch seid Ihr von den périgurdinischen Caumonts her nicht mein entfernter Cousin? Und daher zu einiger Beflissenheit meiner Person gegenüber verpflichtet?«
    »Gnädigste Frau Marschallin«, sagte ich, »ich wäre verzweifelt, wenn ich es daran hätte fehlen lassen, doch seid Ihr so hoch gestiegen, Eure Familie und Ihr, und strahlt mit solchem Glanze an der Spitze dieses Reiches, daß ich fürchtete, mir die geblendeten Augen zu versehren, wenn ich Euch zu oft nahte.«
    »Ha!« sagte sie, indem sie mich voller Schwermut aus ihren goldbraunen Augen ansah, dem einzigen in ihrem Gesicht, was an ihre Jugend gemahnte, alles übrige war leider mit den Jahren gänzlich verwelkt. »Ihr macht Euch lustig, mein Cousin! Denn eben da drückt mich der Schuh! Wir sind zu schnell und |141| zu hoch gestiegen! Dieser Aufstieg schreckt mich. Ich kann nur immer an den Fall denken, der hierauf ja folgen muß. Wißt Ihr, als der König meinen Sohn mit der lothringischen Prinzessin vermählte (er hatte deren zwei vermählt, sie aber sprach nur von Anne de Joyeuse, bei dessen zweideutigem Vornamen die Schandmäuler am Hofe grinsten) und ihn damit zu seinem Schwager machte, war ich über diese Erhöhung und das damit verbundene, unerhörte Gepränge so erschrocken, daß ich mich zwei Tage und Nächte in meine Kapelle einschloß und inbrünstig zu Gott flehte, er möge den Lauf dieser unfaßlichen Begünstigungen anhalten, und unaufhörlich lebe ich in dieser Schreckensangst vor unserem unvermeidlichen Sturz.«
    »Frau Marschallin!« sagte ich verblüfft, »möge der Himmel Euch nicht erhören! Aber warum müßt Ihr die Zukunft denn so schwarz sehen? Nach einhelliger Meinung steht Anne doch unverrückbar in der Gunst des Königs!«
    »Der König ist sterblich, mein Cousin!« sagte die Marschallin tief gedämpft, daß es einem Murmeln glich, »und wenn er stirbt, was wird dann aus uns? Kennt Ihr die Geschichte der Burgvogtei von Limours, die der König meinem Sohn zur Hochzeit schenkte?« Ich kannte sie, zuckte aber mit keiner Wimper. »Franz I. entriß sie dem

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