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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Grunde nicht längst erraten? Doch obwohl sich nun bestätigt hat, daß Larissa in großer Gefahr ist, als Komplizin dieses Komplotteurs in einem englischen Kerker zu enden, können wir dieser Gefahr doch nicht begegnen, indem wir die Montcalms unterrichten: Sie verehren Samarcas zu sehr, unser Wort bliebe gegen seines machtlos. Außerdem hieße die Montcalms unterrichten zugleich Samarcas darauf aufmerksam machen, daß er, während er seine Netze spinnt, in den Netzen einer sowohl französischen wie englischen Überwachung gefangen ist. Und daß er gewarnt wird, liegt weder im Interesse unseres Gebieters noch der Königin Elisabeth, noch auch Larissas.«
    »Was können wir in dieser Lage aber tun?« fragte Giacomi verzweifelt.
    »Überprüfen wir doch, ob Samarcas tatsächlich in der Abtei wohnt, ohne ihn jedoch zu verfolgen. Beobachten wir ihn ungesehen, wie es Meister Mosca empfahl. Dann wissen wir immerhin, wie weit man diesem Poulain und seinen Geschichten vertrauen darf.«
     
    Ich bat Gertrude du Luc, mir ihre Reisekutsche zu leihen, und früh am nächsten Morgen bezogen wir, Giacomi und ich, in dunklen Kleidern, die Gesichter von Masken verhüllt, hinter unserem Kutscher Miroul, der die Augen unterm Hut verbarg, Posten auf dem kleinen Platz vor der Abtei von Saint-Germaindes-Prés, der um diese graue Stunde noch ganz verlassen gelegen hätte, wären bei unserem Anblick nicht ein paar zerlumpte Kerle wie Asseln aus ihren Löchern hervorgekrochen, um uns |132| die Pferde zu stehlen. Worauf wir mit gezogenem Degen aus der Kutsche sprangen und mit Mirouls Hilfe den Strolchen derart den Buckel striemten, daß sie sich aus dem Staube machten. Doch blieben wir weiter auf der Hut, denn bekanntlich stand der Vorort Saint-Germain, wenn auch nahe den Toren von Paris, in üblem Ruf, weil die Häuser dort, besser gesagt, die halb verfallenen Hütten einem Völkchen von Bettlern, Mantelschnäppern, Huren und Beutelschneidern Unterschlupf boten. Kein Wunder, daß die schöne und reiche Abtei Saint-Germaindes-Prés sich inmitten einer solchen Kloake mit unüberwindlich hohen Mauern umgrenzt hatte, die ihre Mönche wie ihre Schätze vor dem Lumpenpack draußen schützten.
    Für einen 7. Mai war die Morgenfrühe reichlich frisch, und wir zogen uns in die Kutsche zurück, auch hatten wir von dort, mit dem Finger den Vorhang am Wagenschlag raffend und durch die Scheibe spähend, das Tor von Saint-Germain besser im Auge, während Miroul die Umgebung überwachte.
    Nach ziemlich langer Zeit – es tagte schon – sah ich durch die Scheibe auf meiner Seite einen Bettler in grauen Lumpen um die Klostermauern streichen und sich wenige Klafter vom Tor niederlassen, wo er so unbeweglich verharrte, daß ich ihn von den ebenso grauen Steinen kaum mehr unterscheiden konnte. Und als ich dies bedachte, dünkte mich die Verwechslung wohlüberlegt, und der Wegelagerer schien mir der Spitzel zu sein, den Poulain auf Samarcas’ Spur gesetzt hatte. Im übrigen lagern sich Bettler nur, wo jemand anzubetteln ist, und es war doch merkwürdig, daß dieser hier unsere Kutsche mit Miroul auf dem Bock stehen sah und nicht gekrochen kam, uns die Hand hinzustrecken.
    Kaum jedoch hatte der Mann sich niedergekauert, fand sich noch ein anderer ein, schwarz gekleidet wie ein Geistlicher, nur daß er Dolch und Degen trug und ein fremdländisch geschnittenes Wams. Nach gleichgültigem Blick auf den Mann Poulains und einem rascheren auf unsere Kutsche lehnte er sich ziemlich weit vom Tor an die Mauer, wo er sich mit einer kleinen Schere die Nägel zu schneiden begann. Dieser, den ich für den Mann Walsinghams hielt, schien mir seiner Aufgabe weniger gut gewachsen als der von Mosca, der sich so ununterscheidbar seiner Umgebung anglich.
    Beider Gegenwart, ganz unauffällig der eine, weit erkennbarer |133| der andere, bezeugte, daß Poulain die Wahrheit gesprochen hatte, und bildete das Dekor für den Auftritt der
dramatis persona
1 , den wir alle erwarteten – die beiden Spione, Giacomi und ich, und Giacomi, wie ich sah, indem seine lange, nervige Hand sich immer aufs neue um den Degenknauf spannte. Weil ich angesichts seiner Erregung fürchtete, diese könnte ihm im gegebenen Moment ein schlechter Ratgeber sein, raunte ich ihm zu, er möge das Kommando in diesem Abenteuer mir überlassen und sich nicht ohne mein Wort von der Stelle rühren.
    Kaum war dies gesagt, öffnete sich das Tor der Abtei (was ebenso langwierig vonstatten ging wie beim Schalter des

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