Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
begann sofort, sie auf englisch anzusprechen. Es waren reine Höflichkeitsfloskeln, doch konnte ich auf diese Weise sowohl eine Dame, mit der sie geplaudert hatte, als auch die Marschallin vertreiben. Kaum waren wir allein, sagte ich ihr sotto voce, daß ich Hugenotte sei, der »gezwungen gehe«, um ihr Vertrauen zu gewinnen; dann teilte ich ihr mit, wie es um Mundane stand, um seine Wunde und die Geschehnisse, die dazu geführt hatten. Sie lauschte meinem Bericht mit größter Aufmerksamkeit, die hellen Augen fest in den meinen, was mich hinderte, zu ihrem entzückenden Mund und ihren anderen Schönheiten abzuirren, denn Mylady trug keine Halskrause, sondern einen im Nacken hoch aufgestellten Koller und ein Dekolleté, das jeden Heiligen in Verdammnis gestürzt hätte.
    »Mylady«, fuhr ich fort, »Mister Mundane braucht strenge Bettruhe. Daher behalte ich ihn im Haus bis zu seiner Heilung, so Gott will, daß er genest.«
    Lady Stafford erwiderte zunächst nichts, sah mich nur eindringlich aus ihren schönen und klugen Augen an, daß es eine |144| Freude war, so betrachtet zu werden; und als sie dann sprach, entzückte sie mich vollends, denn noch nie hatte ich eine weibliche Stimme so lieblich und melodisch englisch sprechen hören. Ihr Gemahl, sagte sie, sei mir zweifellos zu großem Dank verpflichtet, daß ich mich Mister Mundanes so hilfreich angenommen hätte, sie verstehe nach meinem Bericht nur nicht, warum ich mich so vielen Unbequemlichkeiten und Gefahren ausgesetzt hätte, es sei denn in dem Gedanken, mich meinem König angenehm zu machen, der ja ein entschiedenes Interesse daran habe, daß eine befreundete Krone durch nichts erschüttert werde.
    Dies bestätigte ich ihr, doch erklärte ich, daß ich an dieser Affäre außerdem ein privates Interesse hätte, weil der Mann, von dem wir redeten, die Schwester meiner Gemahlin in seiner Gewalt habe, und ich müsse um deren Leben und Freiheit bangen, seit ich sie so tief in englische Abenteuer verstrickt sähe, woran sie jedoch völlig unschuldig sei, ihr Geist sei ein wenig gestört.
    »Und wie heißt Eure Frau Schwester?« fragte Mylady.
    »Larissa von Montcalm.«
    »Ich merke mir diesen Namen«, sagte Lady Stafford und reichte mir abermals ihre Hand zum Kuß, aber diesmal mit einem so bezaubernden und herzlichen Lächeln, daß ich mich seiner noch heute, da ich dies schreibe, bewegt entsinne.
    Befriedigt, diese Angelegenheit erledigt zu haben, die für meine Familie und Giacomi so wichtig war, wollte ich mich von der Marschallin verabschieden, da öffneten sich geräuschvoll die Flügel zum Salon, und zwischen livrierten Lakaien, farbenprächtiger anzusehen als Vögel von den überseeischen Inseln, traten der Herzog und Pair Anne de Joyeuse und sein jüngerer Bruder Henri, Graf von Bouchage und Großmeister der königlichen Garderobe, herein, gefolgt vom Schwarm ihrer Edelleute, allerdings nur der ranghöchsten, während die übrigen im Vorzimmer verblieben und zusehen mußten, wie sie sich mit den zwei oder drei Schemeln dort behalfen.
    Die Brüder, die eingehakt gingen und einander sehr zugetan schienen, waren beide hochgewachsen und sehr schlank, hatten das gleiche längliche Gesicht, edel gebogene Nasen, azurblaue Augen und wären für Zwillinge durchgegangen, wären Haar und Bart bei Anne nicht goldblond, bei Henri aber rot gewesen; |145| auch zeigte dessen Gesicht einen gestrengen und schwermütigen Ausdruck, während der Ältere übersprudelte vor Lachen, Scherzen und Liebenswürdigkeiten.
    Und tatsächlich täuschte die Erscheinung des Grafen von Bouchage nicht. Gegen die Frömmigkeit, in der er aufgewachsen war, erwiesen sich die Verlockungen und Eitelkeiten des Hofes als machtlos und hinderten ihn nach dem Tod seiner Gemahlin nicht, in ein Kapuzinerkloster einzutreten und das perlenbesetzte Höflingskleid mit der Kutte zu vertauschen.
    Anne hingegen, leichter in Sinn und Gemüt, lebte wie trunken und betört im Wirbel der unendlichen Wohltaten, mit welchen der König ihn überhäufte. Im Gegensatz zum Herzog von Epernon stand er weit unter dem Rang, zu dem das Glück ihn erhoben hatte, er aber wähnte sich weit darüber, und die entzückten Blicke, die er beim Betreten des mütterlichen Salons auf die Anwesenden warf, sein Stimmklang, seine Gesten und die Art, wie er sich in einen Sessel warf, bekundeten, daß er seinen Triumph bedenkenlos und kindlich genoß und sich für den König selber hielt, dessen Abglanz er doch nur war, von der Woge

Weitere Kostenlose Bücher