Noch immer schwelt die Glut
Edelleute des Reiches glichen.
Wer ihm bei dieser Übung zuschaute, wie ich des öfteren, hätte gewiß nicht behaupten können, er sei verweichlicht oder schwach gewesen, denn er kämpfte mit Feuer, ohne aufzustecken, keuchend, schwitzend, aber nie schlaff. Und besser als jeder andere kann ich bezeugen, wie ausdauernd der König war, weil ich ihn, wie gesagt, auf seiner Wallfahrt von Notre-Dame de Paris nach Notre-Dame de Chartres begleitete, ein langer Weg, den er zu Fuß binnen zwei Tagen bewältigte, worauf er in Chartres einen Tag und eine Nacht ruhte und dann denselben endlosen Fußmarsch von Chartres nach Paris ebenfalls in zwei Tagen zurücklegte, ohne daß er an anderem als geschwollenen Füßen litt und einigem Magendrücken, weil er auf der Rast allzu reichlich gegessen hatte.
Eine seltsame Aufführung für einen Sterbenskranken, seine Schuhsohlen auf steinigen Wegen abzulaufen und sich im Quartier den Wanst zu stopfen! Denn trank Heinrich auch beinahe nur Wasser, so schlang er dafür wie ein Oger – bis zu zwei Kapaunen nacheinander –, und das bei Tisch wie auf dem Schlachtfeld.
Über solcher Völlerei hatte er denn um die Dreißig einigen Speck angesetzt. Da unterhielt er sich eines Tages in aller Vertraulichkeit mit Monsieur de Thou, dem ersten Gerichtspräsidenten, der alt, aber sehr rüstig war, und fragte ihn nach dem Geheimnis seiner bewundernswerten Frische. De Thou antwortete ihm, er habe stets achtgehabt, sich sein gutes Temperament zu erhalten, indem er ein geregeltes Leben führte, mäßig |149| aß, ausreichend schlief, immer zur selben Stunde aufstand und sich niemals Exzessen hingab. Das machte solchen Eindruck auf Heinrich, daß er fortan nur noch zwei Mahlzeiten am Tage hielt und nur noch einen Kapaun aß statt zweien. Und er befand sich wohl dabei.
Nach alledem möchte ich sagen, daß das wahre Leiden meines guten Herrn und Gebieters wahrlich nicht in seinem Körper nistete, sondern in seiner Seele, welche durch die härteste und unablässigste Verfolgung schwer verwundet und geschunden war. Denn in seiner unendlichen Großmut, die soweit ging, daß er jenen verzieh, die ihn von den heiligen Kanzeln herab in den Schmutz zerrten, war Heinrich III. einzig bestrebt, seinen Untertanen den Frieden zu erhalten, und glaubte nicht, daß man die Ketzerei mit dem Messer besiegen könne. Trotzdem aber begegnete er bei besagten Untertanen, ob römisch, ob hugenottisch, nichts wie ruchlosester Verwünschung. Ha, Leser! Wollte doch die schreiende Ungerechtigkeit, welche der entsetzliche Parteiengeist gegen meinen armen Herrn zu Lebzeiten entfesselte, in kommenden Jahrhunderten endlich schweigen! Wie werden unsere Söhne und Enkel einmal erschrecken, wenn sie feststellen, zu welch unerhörten Exzessen der religiöse Eifer die Geister einst getrieben hat und wie starrsinnig man offenkundigste Wahrheiten verkannte!
Heinrich war so arbeitsam, daß er ganze Stunden in seinem Rat und seinem Kabinett verbrachte; wollte er sich aber erholen, wurde geschrien, er faulenze. Von Wesen und Art her war er sehr fromm: Man beschuldigte ihn, ein heimlicher Feind der Kirche zu sein, ein Gönner der Ketzer, ein Teufelsbruder, was weiß ich noch! Zu standhaft, um mit den Wölfen zu heulen, diente er mit wunderbarer Beharrlichkeit dem Staat, wie er es für recht befand: Man verschrie ihn als Weichling. Die großen Prinzipien der Regierung und namentlich seine Thronfolge betreffend, blieb sein Wille bis zuletzt unerschüttert: Man schimpfte ihn schwach und schwankend. Schließlich – wie ich bereits sagte und nie genug wiederholen kann – war Heinrich von Anlage und Denken her überaus gütig, aber er wurde grausam genannt.
Dieser erbitterte Haß, der ihm unaufhörlich entgegenschlug, die tausenderlei Beschimpfungen und Verleumdungen, die überall über ihn verbreitet wurden, all der Verrat, der ihm widerfuhr |150| von seiten der Großen, der Minister, der Offiziere, Diener, Günstlinge und bald auch von seinem Bruder Alençon, seiner Schwester Margot und seiner Mutter Katharina – beide waren zur Guise-Partei übergewechselt – sowie ab 1584 die immer ärgeren Bedrohungen und Verschwörungen gegen seine Freiheit und sein Leben, alles das lastete derart bitter auf dieser empfindsamen Seele, daß es sie gänzlich entnervte, und übergangslos verfiel Heinrich von Tränen in Wut, von Wut in Melancholie, von Melancholie in Verzweiflung.
Ich sah sein Gesicht tränenüberströmt, als ihm ein giftiges Wort der
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