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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Montpensier über ihn hinterbracht wurde. Ich sah ihn auf eine törichte Bemerkung Joyeuses hin so in Wut geraten, daß er auf seinen Herzliebsten mit Fäusten und Füßen losging. Ich sah ihn bei schwerem Gewitter über jeden Blitz erzittern in dem Glauben, der Himmel ergreife die Partei der Menschen und wolle ihn zerschmettern. Ich sah ihn zu Winterszeiten unter den Unbilden von Wind und Regen schlottern, sich in Ängsten verzehren und die kleinen Ungemache des Lebens wie unerträgliche Schläge empfinden. In solchen Momenten in sich gekehrt, mit bitterem Mund, scheelem Blick, mißtrauisch und argwöhnisch, nahm er alles übel. Und die Edelleute um ihn mußten sich hüten vor jeder Witzelei, jedem unbedachten Wort, so wie es der arme X erfuhr: Als der erste Kammerdiener Du Halde in Gegenwart Seiner Majestät einmal sagte, der Hof brauche nur an einem Ort zu erscheinen, und schon mache die Pest sich davon, rief jener lachend: »Ein Teufel jagt den anderen!«
    Worauf der König so zornig wurde, daß er auf X losstürzte und blindlings auf ihn einschlug, und womöglich wäre es zu Schlimmerem gekommen, hätte Epernon den Mann seinen Fäusten nicht entrissen.
    Nach dem zu urteilen, was der Baron von Quéribus mir bei der Marschallin gesagt hatte, befand sich Heinrich in ebensolcher Gemütsverfassung, so daß ich nicht ohne Bangen um Einlaß in sein Gemach ersuchte, bei seinem Haushofmeister, Monsieur de Merle, welcher mich jedoch sofort hineinführte, indem er mir die Warnung zuraunte, Seiner Majestät ja behutsam zu begegnen.
    Der König lag ausgestreckt, starr wie eine Grabfigur, auf seinem Bett, überm Gesicht die Maske, mit welcher er sich im |151| Schlaf zu verhüllen pflegte, damit die üblen Dünste der Nacht seinen Teint nicht verdarben – der aber olivfarben und sehr beständig gegen Wind und Sonne war und mir gar nicht so schutzbedürftig erschien. Wortlos überließ er seine Hände zwei Kammerfrauen, die zu beiden Seiten des Lagers knieten und ihm Finger und Handflächen mit einem gelblichen Balsam einrieben, der stark nach Moschus roch, während Du Halde, in der Bettgasse stehend, die Massage überwachte und dirigierte und der Narr Chicot ziemlich trübsinnig auf einem Schemel hockte, weil er sehr an seinem Herrn hing und unglücklich war, ihn in Bedrängnis zu finden.
    Für meine Enkel will ich anmerken, daß Chicot, so gut er den Narren auch spielte, keineswegs niederer Herkunft noch verunstaltet war, sondern ein gascognischer Edelmann, an dessen Nase ein steter Tropfen hing, den er fallen ließ, wo sich’s traf. Dessen ungeachtet schlug er sich mit dem Degen in der Hand äußerst tapfer, wie er es bei seinem Tod beweisen sollte.
    »Wer ist da?« fragte die Stimme des Königs, durch die Gesichtsmaske gedämpft.
    »Sire, es ist der Ritter vom Aderlaß«, sagte Chicot, der den Leuten gern Beinamen gab. Guise hieß bei ihm »der Herrliche«, der Schatzmeister Descars »der große Rabbi«, der Kardinal von Guise, des Herzogs Bruder, »der große Stinker« (was er sicherlich war), der Kardinal von Bourbon »der Oberesel« und der König selbst »Seine Doppelmajestät«, in Anspielung auf die, inzwischen verlorene, polnische Krone.
    »Chicot, gib dem Chevalier deinen Schemel und halte den Mund«, sagte der König.
    »Was meinen Schemel betrifft – schon geschehen«, sagte Chicot, indem er aufstand, »aber wieso muß ich den Mund halten, und der Herrliche kann lauthals gegen dich blaffen? Was ist ein Narr, der nicht Piep sagen darf? Wenn du mich nicht mehr brauchst, Heinrich, dann sag dem großen Rabbi, er soll mich auszahlen, aber ohne daß ich dem Hurensohn die Pranke schmieren muß. Die Herren Guise machen mir längst den Hof, um mich an ihren zu lotsen. Andererseits macht mir der Henker von Toulouse Avancen, die nicht zu verachten sind, gibt es im Reich doch gewisse Herrschaften, die ich, so großkotzig sie seien, zu gern gestiefelt und gespornt an den Galgen schicken würde. Aber wenn du mich noch willst, Heinrich, mein Augäpfelchen, |152| dann bleibe ich dir treu trotz Guise, trotz Henker von Toulouse, sogar trotz deines Nachtstuhls, der mich heute anstinkt.«
    »Bleib, Chicot!« sagte der König, unter der Maske lachend, »aber schweig. Ich habe mit Monsieur de Siorac zu reden.«
    »Ach, Heinrich«, sagte Chicot, glücklich, daß er Seine Majestät endlich erheitert hatte, »was kann der Ritter vom Aderlaß dir mehr bieten als ich? Der hört die Messe nur auf einer Backe. Ich immerhin auf beiden. Und

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