Noch immer schwelt die Glut
seinen Räten, nicht mehr verhehlen mußte, welche Fragen und Sorgen ihn bedrückten.
»Alsdann, Sire«, sagte schließlich Roquelaure, ein großer, dicker Mann, dessen gutes rotes Gesicht zur Genüge bezeugte, daß er nicht gern hinterm Berge hielt, »woher kommt Euch dieser neuerliche Verdruß? Habt Ihr nicht vielmehr allen Grund, zufrieden zu sein? Der König von Frankreich erkennt nicht nur Euer Recht auf die Thronfolge an, sondern will Euch auch an seinem Hof empfangen und Euch zur ersten und stärksten Stütze seines Thrones machen.«
»Jedoch unter einer Bedingung«, sagte Marmet.
»Herr Vater«, sagte ich, indem ich Jean de Siorac in seinem Bericht unterbrach, »wie habe ich mir Marmet vorzustellen?«
»Es wundert mich nicht, daß Ihr ihn nicht bemerkt habt«, meinte mein Vater. »Er sieht einem Schatten gleich. Er ist sozusagen ohne Leiblichkeit, lang, hager, schwarz gekleidet, hohle Wangen, dünne Lippen. Felsenfest im Glauben, ist er wer weiß wie vielen Scheiterhaufen entronnen. Aber unterbrecht mich nicht, ich fahre fort:
›Jedoch unter einer Bedingung‹, sagte Marmet.
›Und ich weiß, welcher!‹ sagte Navarra, über seine Schulter hinweg, nicht ohne Bitterkeit, denn diese Bedingung war ein Dorn in seinem Gewissen. Und weiter marschierte er mit großen Schritten, denn so kurz seine Beine auch sind, machte doch seine Energie die Kürze der Gliedmaßen wett. Béarn besteht bekanntlich aus Bergen und Tälern, und der Béarnaiser hat den langen und unermüdlichen Schritt des Gebirglers.«
|177| »Und der Kanzler Du Ferrier?« fragte ich.
»Sohn, Ihr unterbrecht mich schon wieder. Du Ferrier müßt Ihr doch gesehen haben: alt, erhaben, die zehn Gebote stehen ihm ins edle Gesicht geschrieben. Nun, seine klugen Augen wanderten von Navarra zu Roquelaure und von Roquelaure zu Marmet, und weil er zu vieles im Kopf bewegte, um es in Worte zu fassen, schwieg er. Doch könnt Ihr Euch denken, mein Sohn, daß dies nicht das Schweigen des Erstbesten war! Nein, nein, nein! wie unser guter Fröhlich sagen würde. Du Ferrier schwieg voll Stärke, voller Majestät: ein Moses auf dem Berg Sinai, der himmlischen Erleuchtung gewärtig. Aber er ist Politiker. Als Hugenotte jüngsten Datums verfolgt er die Sache der Religion weniger eifrig als Marmet.
Dieses dreifache Schweigen – das von Navarra, von Du Ferrier und von Marmet, der nur wenige Worte gesagt hatte, die aber von Gewicht –, dieses dreifache Schweigen, sage ich, schien Roquelaure auf die Dauer unerträglich. Ursprünglichen und offenen Wesens, ließ er seinen Empfindungen jäh freien Lauf.
›Ha, Sire!‹ rief er aus, ›ich kann mir denken, was es ist! Ihr erwägt im stillen, ob Ihr Euer Glück und das Angebot des Königs annehmen oder Eurem Religionsminister und anderen seines Schlages zu Gefallen ablehnen sollt, die Euch um ihrer Bequemlichkeit und parteiischen Leidenschaft halber abraten – ohne jeden Respekt vor dem, was Euch frommt, und vor dem öffentlichen Wohl!‹
Marmet zuckte auf diese wütende Attacke hin mit keiner Wimper, wie hätte auch ein noch so rascher Wasserfall einem solchen Felsen etwas anhaben sollen?
›Das öffentliche Wohl‹, sagte er ruhig, ›ist mir nicht gleichgültig. Die Bekehrung ist Gewissenssache des Königs von Navarra. Vor vierzehn Jahren wurde sie ihm aufgezwungen, das Messer an der Kehle. Heute bittet man ihn darum. Aber wer bittet? Der Sieger von Jarnac und Montcontour und einer der Urheber der Bartholomäusnacht! Gewiß, die Lage hat den König verändert, aber was die einen Umstände bewirken, können andere Umstände zunichte machen. Navarra kann am Hof der rechte Arm Heinrichs III. werden, wie es Coligny leider für Karl IX. war. Aber höfische Gunst ist unbeständig. Die Reformierten im Béarn, in Navarra, in der Guyenne sind Schild und |178| Lanze des Königs. Wenn er sich bekehrt, entwaffnet er sich. Wenn er zurückkehrt an den Hof, gibt er sich in die Hände seiner Feinde. Er wird doppelt nackt sein.‹
Ohne in seinem Abschreiten des Raumes innezuhalten, hatte Navarra einen lebhaften Blick auf Marmet geworfen, als dieser in seiner sanften und verschleierten Weise andeutete, er würde mit seiner Bekehrung die Freundschaft der Hugenotten verlieren und somit die Partei, die ihn stark machte.
›Aber‹, rief Roquelaure feurig, ›sich der Messe nicht zu bequemen, heißt das nicht darauf verzichten, König von Frankreich zu werden? Sowie man hingegen am Hofe hören wird, der König von Navarra habe
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