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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Rathaus, wo alles »Es lebe der König!« und »Es lebe der Herzog!« schrie, schließlich noch Fröhlich fanden, bekam auch er von Giacomi und Miroul noch sein gut Teil Wiedersehensfreude, hatten wir uns gemeinsam mit diesem herkulischen Gesellen doch auf Hauen und Stechen durchgekämpft, als wir vor zwölf Jahren dem blutigen Paris der Bartholomäusnacht entflohen.
    Ach, Leser! Gewiß gibt es manche Freuden in unserem kurzen Leben, aber welche kommt derjenigen gleich, nach so vielen Jahren den geliebten Vater wiederzusehen, seine Stimme zu hören und ihn gesund und rüstig wie je durch sein Quartier wandern zu sehen. Sein Haupt war weiß geworden, ja, aber die blauen Augen sprühten noch immer Feuer und Lebenslust, die ihm aus Sinnen, Geist und Herz entsprangen, denn was äußerlichen Glanz und Ruhm anging, so erachtete er sie für nichtig.
    »Ha, mein Pierre«, sagte er, nachdem er sich nach Catherine, Samson und mir erkundigt und alle Neuigkeiten begierig aufgenommen hatte, »mir war es zum Sterben langweilig mit diesem langen Duckmäuser François! Ach, was ist der pompös geworden, seit er mit Geburt seines Ältesten Baron von Fontenac geworden ist. Gewiß führt er die Wirtschaft gut, meine auch, und er erfüllt pünktlich seine Pflichten. Aber, beim heiligen Antonius, mir fehlt mein Sauveterre! Und als meine arme Franchou mir noch im Kindbett starb, hab ich Essig gepißt, immer diesen faden Trauerkloß, trüb wie Fasten, um mich zu haben! Seit er die Jacke umgedreht hat, wie du weißt, hat er gemerkt, daß ihm das Futter wie angegossen sitzt. Er ist jetzt katholischer als der Papst, hört alle Tage die Messe, betet die Heiligen an, mümmelt seine »Ave Maria«, und sogar auf Wallfahrt geht er! Beim Ochsenhorn, mir kocht das Blut bei diesem |171| scheinheiligen Mummenschanz! Vor zwei Monaten hab ich ihm die Wirtschaft von Mespech überlassen, und nun zieh ich mit Navarra von Ort zu Ort, ob gutes Logis, ob schlechtes, was kümmert’s mich. Nur einen kleinen Diener hab ich mit und eine Magd, die im übrigen ein gutes Mädchen ist.«
    Nun! dachte ich, indem ich die Kleine betrachtete, die still und stumm auf einem Schemel am Fenster nähte, gutes Mädchen? Wahrlich, Herr Vater, Eure siebenundsechzig Jahre lasten Euch nicht allzusehr auf dem Buckel, und ich müßte mir Sorgen machen, wäre es nicht so, denn Impotenz, meine ich, kommt von Abstinenz, und nicht umgekehrt.
    Nach dem Essen, das wir heißhungrig verschlangen, sagte Giacomi, der merkte, daß mein Vater mich allein sprechen wollte, er habe Lust, sich die Stadt Pamiers anzusehen, und nahm Mundane und Miroul mit. Worauf also mein Vater fragte, warum Heinrich III. mich mit dem Herzog von Epernon auf diese Gesandtschaft geschickt habe. Ich sagte ihm, dafür gebe es wohl dreifachen Grund, einer davon sei sicher, die beiden anderen eine Vermutung.
    »Und welcher ist der sichere?« fragte Jean de Siorac lachend.
    »Der Herzog leidet immer im Halse, und weil sein Arzt krank daniederlag, wollte der König, daß ich ihn behandle.«
    »Und wie behandelt Ihr den Herzog?«
    »Durch Gurgeln, morgens, mittags und abends, mit abgekochtem Salzwasser. Dazwischen Honig.«
    »Und Wasser«, sagte mein Vater, »sagt ihm, er soll viel trinken.«
    »Ich werd’s ihm sagen. Der zweite Grund …«
    »Welcher Vermutung ist …«, sagte mein Vater, wiederum lachend, als kitzele ihn das Wort.
    »… ist, daß der König mir etwas Gutes tun wollte, er scheint gewußt zu haben, daß Ihr hier seid.«
    »Das wußte er in der Tat. Duplessis-Mornay hat mich bei Navarra gesehen, und er ist seit April am Pariser Hof.«
    »Der dritte Grund«, fuhr ich fort, »ist wahrscheinlich, daß der König sich dachte, er könnte Euch durch meine Vermittlung auf den Zahn fühlen.«
    »Holla, mein Herr Sohn!« rief mein Vater lachend, »wollt Ihr meinen König für den Euren ausspionieren?«
    |172| »Indem ich dem einen diene, dien’ ich dem anderen, ihre Schicksale hängen aneinander, denk ich.«
    »Wohlgesprochen, Herr Sohn«, sagte mein Vater. »Sie sind es. Sind es im Prinzip und werden es eines Tages in Wirklichkeit sein. Gegen Guise, den Papst und Philipp II. hat der König keinen anderen so verläßlichen Verbündeten wie Navarra.«
    »Und Elisabeth.«
    »Ach! Elisabeth«, sagte Jean de Siorac lächelnd. »Habt Ihr deshalb diesen Engländer im Schlepptau, der mir nicht aussieht, als ob er in seinen Kleidern steckt?«
    »Jaja. Er soll für seine Gebieterin mit Navarra sprechen. Könntet Ihr das

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