Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
Hals, fand ihn noch immer gerötet und leicht geschwollen, doch ohne weiße Punkte noch Belag, woraus ich schloß, daß er auf gutem Wege zu genesen sei, sofern er mit dem Gurgeln und dem Honig fortführe und sich vor Erkältung hütete.
    Epernon hatte nichts von der erlesenen Höflichkeit unseres guten Herrn und Gebieters, sein Ton war gegen alle herrisch und karg.
    »Was sagt Mespech zu meiner Gesandtschaft?« fragte er mich nach beendeter Untersuchung.
    »Was ich auch dazu sage, Monseigneur.«
    »Und was sagt Ihr?«
    »Daß Navarra wenig Lust haben wird, wieder im Louvre zu sein.«
    »Er braucht ja nicht dort zu wohnen!« sagte Epernon lebhaft, »er könnte zum Beispiel Schloß Saint-Germain-en-Laye nehmen, mit genügend Truppen um sich her.«
    Mehr sagte er nicht, aber die Lebhaftigkeit seiner Erwiderung überzeugte mich, daß Epernon alle Schwierigkeiten seiner Unternehmung kannte und nicht scheitern wollte.
    Ich erfuhr kein Jota von dem, was an jenem Tag zu Pamiers zwischen Epernon und Navarra gesprochen wurde, noch am 29. Juni zu Encausse, wo sie sich wiederum trafen, dafür hörte ich von den langen Unterhandlungen, die sie vom 3. bis zum 11. Juli in Pau führten, einiges durch meinen Vater. Zwar wohnte er diesen Gesprächen nicht bei, war aber zugegen, als Navarra diese mit seinen wichtigsten Beratern debattierte, das |175| heißt mit Marmet, dem Vertreter der reformierten Religion, mit Du Ferrier, seinem Kanzler, und Monsieur de Roquelaure, der, obwohl Katholik, sich dem Wohl und Wehe des Königs von Navarra auf Gedeih und Verderb verschrieben hatte.
    Man muß wissen, daß Mespech hierbei nicht den Mund auftat, und Navarra fragte ihn auch zu keinem Zeitpunkt nach seiner Meinung. Ich dachte mir, daß er meinen Vater zu dieser geheimen Beratung vor allem hinzuzog, damit er die entscheidenden Punkte an mich weitergebe und der König diese noch aus anderer Quelle als von Epernon erfahre.
    So jedenfalls verstand es auch mein Vater, sonst hätte er mir kein Wort davon gesagt. Das Merkwürdigste dabei aber war, daß Navarra in all diesen Tagen nie Miene machte, sich meiner zu erinnern, kein Wort an mich richtete, keinen Blick an mich verschwendete, so herzlich er auch mit allen anderen war, selbst mit dem letzten Küchenjungen oder Pferdeknecht, und obwohl er Fröhlich in Pamiers sogar gefragt hatte, wie es mit meinem Fortkommen und meiner Gunst am Hof stünde.
    Was diesem geheimen Rat Navarras nun sein volles Gewicht gab, war, daß alle Teilnehmer zum selben Zeitpunkt wußten, daß Monsieur, dessen Leben seit Anfang Mai nur mehr am seidenen Faden gehangen hatte, am 11. Juni verschieden war. Die Nachricht war uns am 8. Juli durch einen berittenen Boten des Königs aus Paris überbracht worden. Es handelte sich also nicht mehr um Spekulation, sondern um eine vollendete Tatsache. Da Heinrich III. nun ohne Thronfolger war, mußte er sich dringend mit Navarra einigen, wenn er nicht wollte, daß der Kardinal von Bourbon ihm zuvorkam.
    Inzwischen habe ich die Briefe und Bekenntnisse gelesen, durch welche Seine Majestät den König von Navarra aufforderte, anflehte, beschwor, zu ihm an den Hof zu kommen und die Messe zu hören, weil er ihn als seinen Nachfolger anerkennen wolle, wie es ihm zustehe als seinem Schwager und einzigen legitimen Erben der Krone Frankreichs. Es wurde in diesen Sendschreiben nicht ausdrücklich gesagt, gleichwohl aber deutlich erkennbar gemacht, daß Navarra, sowie seine Bekehrung vollzogen wäre, zum Oberbefehlshaber ernannt werden würde, kraft welchen Amtes er noch zu Lebzeiten des Königs der zweite Mann im Reich wäre, ohne daß er darauf verzichten müßte, in Navarra der erste zu sein.
    |176| Am siebenten Tag der Verhandlungen mit Epernon in Pau zog sich Navarra, entgegen seiner Gewohnheit, also nach der Mahlzeit in sein Kabinett zurück mit Roquelaure, Marmet, Kanzler Du Ferrier und, wie gesagt, meinem Vater, dem er durch ein Zeichen bedeutete, ihm zu folgen, als er an ihm vorüberging. Dann wies er alle Diener und Wachen hinaus, ließ die Tür des Kabinetts schließen und begann wortlos, die Hände auf dem Rücken, grübelnd und sinnend im Raum auf und ab zu schreiten. Womit seine Miene – nach Zeugnis der Teilnehmer – sich nicht von der unterschied, welche er während der Verhandlungen gewahrt hatte, wo er den Mund nicht geöffnet, nur zugehört, genickt, dann und wann eine Frage gestellt hatte, ohne seine Einstellung jemals zu verraten. Das tat er erst jetzt, als er, allein mit

Weitere Kostenlose Bücher