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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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arrangieren?«
    »Ich überleg es mir. Sag mal, ehrwürdiger Doktor der Medizin«, fuhr er mit verschmitztem Lächeln fort, »bist du königlicher Arzt oder Agent?«
    »Beides.«
    »Dann sei mir ja auf der Hut, mein Sohn! So nützlich das eine, so gefährlich ist das andere.«
    »Der König hat mich auch gewarnt. Herr Vater, glaubt Ihr, daß Epernons Gesandtschaft erfolgreich ausgeht?«
    »Das hängt von Navarra ab.«
    »Und was denkt Ihr?«
    »Mein Sohn«, sagte Jean de Siorac, und seine Augen blitzten, »wollt Ihr mich aushorchen?«
    »Ja, Monsieur.«
    Worauf mein Vater sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Seine Magd Mariette sah von ihrer Arbeit auf, und obwohl sie von unserem Gespräch kein Sterbenswort verstanden hatte – sie sprach nur das Okzitanisch ihrer Berge –, begann auch sie zu lachen, weil mein Vater so fröhlich war. Da trat Jean de Siorac hinter ihren Schemel und streichelte ihr mit beiden Händen Schultern, Arme und Brüste.
    »Der menschliche Körper ist symmetrisch«, sagte er. »darum haben wir zwei Hände, ihn zu liebkosen.«
    »Herr Vater«, sagte ich, »Ihr habt mir nicht geantwortet.«
    »Weil ich denke, das könnt Ihr selbst besorgen.«
    »Wieso?«
    »Ihr seid fast so alt wie der König von Navarra, mit zwei Jahren Unterschied. Versetzt Euch an seine Stelle im Jahr 1572: Er, der Bursche aus den Béarnaiser Bergen, ein dreckiger kleiner |173| König, der besser Okzitanisch als Französisch spricht, kommt verdattert in den Louvre, sieht sich der Bosheit aller Höflinge zum Fraß vorgeworfen, von den Großen verachtet, vom Volk gehaßt, weil er Hugenotte ist. Dazu kurze Beine, schmächtig, eine Nase ›länger als sein Königreich‹, kein schöner Mann, schlecht erzogen, schlecht parfümiert; er stinkt nach Knoblauch, Schweiß und ungewaschenen Füßen: Als im voraus gehörnter Gauch wird er Prinzessin Margot anvermählt, ihre Unschuld hat sie schon mit Guise verloren. Von allen wird er verspottet, verhöhnt, bespien, und gehaßt von Katharina von Medici, weil Nostradamus ihr geweissagt hat, ›dem Béarnaiser wird das ganze Erbe zufallen‹. In der Bartholomäusnacht muß er mit ansehen, wie alle seine Edelleute und Hochzeitsgäste im Hof des Louvre geschlachtet werden. Karl IX. setzt ihm quasi das Messer an die Kehle: ›Die Messe oder der Tod! Wähle!‹ Er wählt die Messe, er beichtet unterm Gewieher des Hofes, Katharina platzt vor Lachen und schielt nach den ausländischen Gesandten. Dann vier Jahre – vier Jahre, Pierre! – vergoldeter Gefangenschaft in den Gemäuern des Louvre, da läuft er rund, ›das Königlein‹, überdies unter beständiger Lebensgefahr. Seine Gemächer werden durchwühlt. Man läßt ihm einen einzigen Diener. Wenn der Hof reist, wird er in Katharinas Kutsche gesteckt, und die Königinmutter überwacht ihn aus ihren Eulenaugen. Wenn der Hof jagt, folgen ihm auf Schritt und Tritt zwei Edelleute, sogar beim Pinkeln. Wenn er vögelt, so mit Katharinas Kreaturen, die ihrer Herrin alles bis ins kleinste hinterbringen. Hafen der Gnade, wie viele Kröten hat er zu schlucken! Endlich kann er fliehen. Er ist wieder König in seinem Reich, Chef einer mächtigen Partei, der seinen vormaligen Kerkermeistern die Stirn bietet. Nun sagt, mein Herr Sohn, wenn Ihr Navarra wäret, würdet Ihr in den düsteren Louvre zurückkehren, zu derselben Katharina, denselben Ministern, demselben Guise und, außerhalb der Palastmauern, demselben blutrünstigen Pariser Volk der Bartholomäusnacht, das Navarra haßt wie Beelzebub?«
    »Nein.«
    »Da habt Ihr Eure Antwort.«
    »Aber, Herr Vater, die Lage ist nicht mehr dieselbe. Heinrich III. ist nicht Karl IX. Er liebt Navarra, und sofern er ›die Segel streicht‹ wie gefordert, steht sein Wille fest.«
    |174| »Ihr vergeßt, mein Herr Sohn, daß Heinrich III. für seine Politik keinerlei Unterstützung hat und gegenwärtig im Louvre genauso bedroht ist, wie es Navarra wäre, wenn er die Torheit hätte, dorthin zurückzukehren.«
    »Herr Vater«, sagte ich nach einigem Nachdenken, »darf ich dem Herzog von Epernon unser Gespräch wiedergeben?«
    »Nein«, sagte mein Vater wiederum mit einem Lächeln, das sein Verbot widerlegte. »Laßt Epernon doch erst plädieren! Bei dieser Affäre kommen andere Betrachtungen ins Spiel, als wir erwogen haben. Und die sind so bedeutsam für den Frieden des Reiches, daß Navarra durchaus schwanken könnte.«
     
    Am Abend nach diesem Gespräch, bevor Epernon schlafen ging, untersuchte ich seinen

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