Noch mehr Krimikatzen
Gegend stammte. Nicht nur, weil ich jeden in Cornucopia mitsamt Verwandtschaft kannte; aber dieser Typ hatte eine zu gesunde Gesichtsfarbe, um den Winter unter diesen Wolken verbracht zu haben. Er setzte seinen wunderbaren schwarzen Stetson ab, schüttelte den Schnee von seinen Sachen und sah sich prüfend in der Bar um. Dann schälte er sich aus seinem Jackett und hängte es über einen leeren Stuhl, legte seinen Hut darauf und setzte sich auf den Stuhl daneben. Er strich sich seinen rotblonden Haarschopf aus der Stirn. Sein Mund wurde unter dem Bart sichtbar, und ein Lächeln ließ seine Zähne weiß aufblitzen, als er um ein Moosehead bat. Er hatte nicht nur ein wunderbares Lachen, sondern auch wunderschöne Augen – freundliche Augen.
Haywood drehte sich auf seinem Stuhl herum, um sich den Neuankömmling anzuschauen. Ich öffnete sein Bier und schüttete es schräg in ein Glas, da ich vermutete, daß er nicht der Typ Mann war, der aus der Flasche trank.
Nach einer kurzen, aber eingehenden Untersuchung nickte Haywood dem Mann zu. »Schneit’s draußen?«
Er hatte mich beobachtet, aber nun wandte er sich Haywood zu. »Aber sicher. Es soll heute nacht etwa vier Zoll Neuschnee geben.« Wenn sein schleppender Akzent so echt war, wie er sich anhörte, kam er aus dem Süden.
Haywood schüttelte den Kopf, als würde ihn das Wetter sehr bekümmern. »Es wird mehr geben.« Er schluckte den Rest Bier hinunter und schob mir das leere Glas zu. »Aus der Gegend?«
»Nein. San Antonio. Komme gerade aus Winnipeg. Hatte dort geschäftlich zu tun.«
Haywood zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Eine Mordsfahrt.«
Der andere Mann zuckte mit den Achseln und nahm einen Schluck Bier. »Mag das Fliegen nicht, und Züge sind nicht mein Fall.« Er starrte aus dem Fenster auf den Schnee. »Als es anfing, richtig dick vom Himmel zu kommen, fand ich, daß Cornucopia ebensogut zum Übernachten in Frage käme wie jeder andere Ort.« Er schaute mich an, während er redete, und als ich Haywoods aufgefülltes Glas vor ihn hinstellte, bat ich innerlich um einen schlimmeren Schneesturm als den, den wir vor zwölf Jahren hatten. Fast eine Woche lang waren wir von der Außenwelt abgeschnitten gewesen.
Ich stellte Haywood ein Gläschen Jack Daniels hin in der Hoffnung, daß er sich dann ruhig verhielt. »Auf Kosten des Hauses, Hay, damit du warm bleibst!«
Er zwinkerte mir mit seinem gesunden Auge zu. »Ja, danke, Annie, du bist eine einfühlsame Frau.«
»Annie«, sagte der Neuankömmling. »Das ist ein schöner, alter Name, den man für sich allein nur noch selten hört.«
Lächelnd versuchte ich über die Bemerkung hinwegzugehen. Schien mir nicht passend, danke zu sagen, wo ich doch nichts für meinen Namen konnte.
»Ich heiße Tom. Tom Lloyd.«
»Nett, Sie kennenzulernen.«
Ich zermarterte mir das Hirn, was ich Intelligentes sagen könnte, als ich aus den Augenwinkeln bemerkte, daß Haywood einige Banknoten aus der Tasche zog. »He, Eighty«, rief er. »Wir wär’s mit einem Spiel?«
Tom drehte sich auf dem Barhocker um und stierte hinter sich in die dünne Luft. »Achten Sie auf den da am Boden«, schlug ich vor, und er senkte seinen Blick. Dort war Eight Ball in voller Pracht zu bewundern, mitten in seinem Säuberungsritual nach einem Schläfchen. Gerade in dem Augenblick versuchte er an seine Unterarme heranzukommen. Selbst ohne seine Begabung wäre Eighty ein besonderer Kater. Zum einen wegen seiner Erscheinung. Er war groß – ich hatte ihn einmal gewogen, und er war fast zwanzig Pfund schwer gewesen – und sein Fell hatte eine besondere Musterung. Große Schildpattflecken bedeckten einen Großteil des Hinterteils und Schwanzes, ein Bein, die Brust und genau eine Gesichtshälfte. Das fiel wirklich ins Auge. Sein Gesicht erinnerte mich immer an einen Halbmond – die Katze im Mond. Aber was ich wohl am meisten an Eighty schätzte, war die Art, wie er in das Büro kam, wo ich meine Pausen verbrachte, und sich in meinen Schoß kuschelte, während ich las. Das war manchmal die beste halbe Stunde des Tages.
Er kam vor einem Jahr in die Kneipe marschiert. Zunächst wollte Harley ihn rausschmeißen, was Eighty gar nicht gefiel. (Er haßte die Kälte ebenso wie ich und setzte bis zum Frühjahr keinen Fuß vor die Tür.) Ich hätte ihn sofort mit nach Hause genommen, wenn ich nicht bei Mrs. Agnosti zur Untermiete gewohnt hätte, die damit nie einverstanden gewesen wäre. Sie hat einen hysterischen kleinen Pudel, der so
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