Noch mehr Krimikatzen
sein?«
»Wo sonst?«
»Dann fahre ich nicht.«
Hätte mich in dem Augenblick ein Meteor in den Boden gerammt, ich wäre glücklich gestorben.
Es hörte in der Nacht auf zu schneien, aber Tom Lloyd blieb den nächsten Tag und den darauffolgenden auch. Er lud mich zum Abendessen ins Farmer’s Inn ein, Cornucopias bestes Restaurant. Ich aß erstklassige Rippchen mit gebackenen Kartoffeln, die mit saurer Sahne zu einem großen Stapel aufgetürmt waren. Tom aß irgendeine Art gegrillten Fisch.
Als wir diese Nacht vor Mrs. Agnostis Haus eintrafen, lud ich ihn ein, mit hereinzukommen, und er strahlte wie ein Kind, das gerade ein Fahrrad zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Wir liebten uns bei voller Beleuchtung. Und die ganze Zeit erzählte er mir, wie schön ich sei – jeder Teil von mir –, bis ich mich selbst schön fand. Hinterher machte ich das Licht aus, und als wir dicht nebeneinander in meinem Einzelbett lagen, teilte er mir mit, daß er in ein paar Tagen abreisen müsse. »Hab’ meinen Chef angerufen und ihm gesagt, daß ich eingeschneit bin. Er ist in Ordnung. Meinte, ich solle mir Zeit lassen. Aber ich kann es nicht übertreiben.« Ich war froh, daß er mein Gesicht nicht sehen konnte. Ich könnte beschwören, daß mir in dem Moment, in dem die Worte aus seinem Mund kamen, Tränen in die Augen schossen.
Eine Zeitlang sagte keiner von uns etwas, dann meinte er mit ruhiger Stimme: »Texas würde dir gefallen.« Ich versuchte meine Aufregung zu unterdrücken, aber das Herz klopfte mir bis zum Halse, und ich traute meiner Stimme nicht. Er drückte meine Schulter und seufzte, dann ließ er sich ins Kissen zurückfallen. »Ich weiß. Du bist hier zu Hause. Du kannst nicht fort.«
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter. Mir wurde klar, daß ich nur diese eine Chance hatte, die Sache klarzustellen. »Hm. Ja. Es ist mein Zuhause, aber mir gefällt es gar nicht. Nicht immer jedenfalls. Du weißt, ich mag es, wenn es warm ist. Hab’ ich dir erzählt.«
»Aber dort leben?«
Die folgenden vier Worte waren die schwersten meines Lebens: »Ist das eine Frage?«
Er lachte sanft. »Ich glaube schon. Ich kann nichts versprechen, Annie, aber ich würde es gern probieren.«
»Ich auch.« Ich wollte losschreien, dachte aber, das würde die Stimmung versauen.
»Harley wird dich vermissen.«
»Er wird drüber hinwegkommen.«
Tom begann, an meinem Ohr zu knabbern. Ich dachte an Harleys Stammkunden. Hay, Ned, Winkie… und Eighty. Ich stieß einen kleinen Seufzer aus. »Was ist mit Eighty?«
Er hörte auf zu knabbern, und ich spürte, wie er mich ansah. »Wer sagt denn, daß du ihn hierlassen mußt?«
»Machst du Witze? Harley würde ihn nie weglassen.«
»Warum ihn einweihen? Davon mal abgesehen: wie ich neulich nachts schon sagte, ist Eighty mehr deine als Harleys Katze.« Ich hörte das Lachen in seiner Stimme. »Was würde Eighty wollen?«
Nachdem wir uns noch einmal geliebt hatten, planten wir in dieser Nacht die Befreiung von Eight Ball und Annie. Da ich in der folgenden Nacht abschließen würde, war die Sache einfach. Tom bot an, einen Transportbehälter für Katzen zu besorgen, wollte sogar in die nächste Stadt fahren, damit in Cornucopia niemand etwas bemerkte. Später erzählte Tom mir ausgiebig von San Antonio. Während er redete, spürte ich die Hitze in mir aufsteigen und konnte nicht glauben, daß es nur eine Frage von Tagen war, bevor ich da unten sein würde.
Mein letzter Tag in Harleys Kneipe ging einfacher vonstatten, als ich geglaubt hatte. Keiner dort war im engeren Sinne ein Freund – ich hätte keinem von ihnen meine tiefsten Geheimnisse anvertraut. Man neckte mich wegen Tom, aber das störte mich nicht. Herrgott noch mal, es stimmte ja. Wenn mich jemand fragen würde, was zwischen uns beiden war, würde ich nur lächeln und weiter ›Streets of Laredo‹ summen.
Der Plan sah vor, daß ich Eighty mitnahm, bei mir zu Hause vorbeifahren und mein Zeug in meinen alten Cutlass laden würde und Tom dann im Motel auf halber Strecke zwischen Cornucopia und Oberon, der nächsten Stadt Richtung Süden, treffen sollte. Wir wollten dort die Nacht verbringen, mein Auto so schnell wie möglich verkaufen und uns dann alle drei auf den Weg machen.
Ich fragte Tom, warum er so kurz hinter der Stadt Halt machen würde, und er meinte, daß er lieber tagsüber fahre. Auf diese Weise könnten wir früh losfahren. »Davon abgesehen«, hatte er gemeint, »wird dich niemand vermissen, bevor du nicht
Weitere Kostenlose Bücher