Noch mehr Krimikatzen
hinauszudrängen, was inzwischen nicht auszuschließen ist… werde ich trotz der großzügigen Sozialfürsorge dieses Landes nicht mehr in der Lage sein, mir gute Pigmente und Leinwände zu kaufen. Und was dann? Soll ich nur noch dasitzen und meine Kopien anstarren? Oder mit billigen Pigmenten neue Kopien herstellen? Dann lieber den Gashahn aufdrehen.
Es sei denn…?
Man hat mir, besonders in meiner Jugend, oft Angebote gemacht. Die Leute glaubten, ich könnte einen Vermeer so malen, daß noch nicht einmal er den Unterschied bemerken würde. Das ist natürlich Unsinn. Wenn ich den Unterschied erkenne, dann er erst recht. Und zwar mit Leichtigkeit. Ich bin weder eine Heilige noch die Verkörperung der Unschuld, aber ich bin zur falschen Zeit am falschen Ort geboren. Zu meiner Zeit galt es als selbstverständlich, die Gesetze zu respektieren. Jeder Uniformierte, und wenn es sich dabei um einen Straßenbahnschaffner handelte, war unantastbar. Man verstieß nicht gegen das Gesetz; man gehorchte blind der Autorität des Staates. Noch heute kann ich weder bei Rot eine Straße überqueren noch die unverbrauchten Münzen aus einer Telephonzelle an mich nehmen. Und ich bin nicht in der Lage, Alford C. D. Charles umzubringen, den Generaldirektor des Museums.
Es interessiert mich nicht weiter, wie schäbig er seinen Amtsvorgänger behandelt hat, den Mann, der ihm seine erste Chance gab; ich bin noch nie einem Manager begegnet, der bei seiner Karriere nicht über Leichen gegangen wäre. Und so außergewöhnlich war es auch nicht, daß er fast alle Konservatoren und ihre Assistenten durch seine Lakaien ersetzt hat, obwohl der plötzliche, brutale Rausschmiß besonders der Älteren eine völlig unnötige Härte darstellte. Es ist in der Szene ein offenes Geheimnis, daß Verkäufe an das Museum nur über eine der fünf Galerien möglich sind, die sich die Provisionen mit dem Generaldirektor teilen. Und ich fühle mich nicht wirklich dadurch gestört, daß ein noch lebender Künstler erst sechs frühe Bilder zu einem sehr niedrigen Preis an Charles verkaufen muß, bevor er im Museum ausgestellt wird. Oder daß eine Stelle als Assistenzkonservatorin erst vergeben wird, wenn die betreffende Frau den Generaldirektor in einem sehr persönlichen Vorstellungsgespräch zu dessen voller Befriedigung von ihren Fähigkeiten überzeugt hat.
Es kümmert mich auch nicht weiter, daß ein Dutzend Klagen von Nachlaßverwaltern angestrengt wurden, deren Klienten ihre Sammlungen dem Museum unter der Bedingung vermacht hatten, daß kein Gemälde veräußert werden dürfte. Charles begann natürlich sofort damit, Teile daraus zu verkaufen, gewöhnlich zu einem verdächtig niedrigen Preis an eine seiner bevorzugten Galerien. Für das Geld kaufte er dann Werke bekannter Künstler mit großen Namen von eben diesen Galerien. Damit trieb er die Preise derart in die Höhe, daß sich sogar das reiche Metropolitan Museum darüber beklagte. Mit den Neuanschaffungen warb er dann für Ausstellungen, die eher Zirkusveranstaltungen glichen. In ihrem Mittelpunkt standen Schauspielerinnen aus Seifenopern, Rockstars, die des Lesens und Schreibens unkundig waren, bekannte Verbrecher und sogar Politiker. Wochenlang nahmen die Leute stundenlanges Schlangestehen in Kauf, um an Eintrittskarten zu kommen; Charles wußte eben, wie man Besucherzahlen in die Höhe treibt. Dabei spielte es nur eine untergeordnete Rolle, ob diese Leute sich für Kunst interessierten, solange sie nur das Museum füllten.
Aber sogar alles zusammengenommen hätte mich nicht dazu gebracht, den Generaldirektor töten zu wollen. Nein, ich wollte Alford C. D. Charles umbringen, weil er Mitzi ermordet hatte. Dazu brauchte er weder ein Messer noch einen Revolver. Aber er hatte es getan. Mit voller Absicht.
Ich bin mit der Reinigung und Restauration der kostbarsten Gemälde des Museums betraut und habe deshalb als einzige Konservatorin einen Arbeitsraum für mich allein. Das erlaubte mir, Mitzi mit an meinen Arbeitsplatz zu nehmen. Genau wie zu Hause lag sie auf meinem Tisch unter einer Lampe, und wir konnten uns unterhalten, während ich arbeitete. Ab und zu streichelte ich ihren Kopf und kraulte sie hinter den Ohren, wo sie es am liebsten mochte. Sie war eine liebe und freundliche Katze, die niemandem etwas zu leide tat. Bis auf Charles.
Natürlich hat er die ganze Zeit versucht, mich zu feuern, weil ich als einzige nicht vor ihm kuschte. Fast alle Direktoren kennen und respektieren mich,
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