Noch mehr Krimikatzen
Wagens. Jeff ging ins Haus, um Wilberton zu sagen, wo er uns finden konnte, für den Fall, daß er uns suchte, aber sein Schwager war immer noch nicht aufgestanden. Und das, obwohl wir bereits kurz nach elf hatten. Dann zogen wir los Richtung Route 11, um in den Häusern dort nachzufragen, ob jemand Irma Wilberton gesehen hatte an dem Tag, als sie ihren Ehemann verließ.
Es war hoffnungslos.
Naß und hoffnungslos.
Das schlechte Wetter spiegelte unsere Gefühle wider. Aber nachdem wir ein baufälliges Haus nach dem anderen abgeklappert hatten, war Jeff sich seiner Sache noch sicherer. Er glaubte einfach nicht, daß Irma sich mit Koffer und Katze an die Straße gestellt hatte, um sich schließlich von einem Truck-Fahrer auf dem Weg nach Gott-weiß-wo begrapschen zu lassen. Auch ich konnte mir das nicht vorstellen.
Aber obwohl zumindest die meisten Leute, die wir fragten, Irma vom Sehen her kannten, erinnerte sich keiner daran, sie an jenem entscheidenden Tag gesehen zu haben.
Unsere Mägen knurrten, und wir waren bis auf die Haut durchnäßt, als wir schließlich beschlossen umzukehren. Wegen des Regens war die Dämmerung schon früh hereingebrochen, und obwohl es erst kurz nach acht war, lag bereits Nachtstimmung über dem Land. In Jeffs Herz sah es nicht weniger düster aus, wie ich wußte. Wir hatten uns entschlossen, Greenville zu verlassen, zurück nach Gulfport zu fahren und unsere Nachforschungen dort fortzusetzen. Jeff sagte sich, daß, wenn Irma ihren Mann wirklich verlassen hatte, sie sich wahrscheinlich für die Richtung entschied, in der ihr Bruder wohnte – und nicht für die entgegengesetzte. Und die erste größere Stadt auf diesem Weg war Gulfport.
Auf dem Rückweg hatten wir Mühe, allen Pfützen auf der unebenen Straße auszuweichen. Wir sprachen wenig und hörten statt dessen auf die Geräusche des Windes, der den Regen in Stößen gegen die Bäume klatschen ließ. Eben als Beauregarde Wilbertons hellerleuchtetes Haus in Sicht kam, ertönte von New Orleans her das erste Donnergrollen.
Er sah sich gerade die Aufzeichnung eines Spiels der ›Honeymooners‹ an. Die Füße gegen den Tisch gestemmt, saß er da und stopfte Chips in sich hinein, die er dann mit Bier aus der Dose hinunterspülte.
Wir standen pitschnaß in der Tür, und langsam bildeten sich kleine Pfützen zu unseren Füßen. Doch er starrte weiter auf den Fernseher. »Wie war euer Tag?« fragte er, ohne den Kopf zu wenden.
Wieder ertönte Donnergrollen – diesmal klang es näher –, dann folgte ein Blitz, der die Umgebung kurz in grelles Licht tauchte. Jeff ging hinüber zum Sofa und stopfte seine Sachen in die Reisetasche.
»Willst du dich umziehen?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
»Was habt ihr Jungs also vor?« fragte Bo Wilberton. Die ›Honeymooners‹ hatten das Spiel beendet, und er setzte sich auf und schaltete den Fernseher ab.
»Wir suchen Irma«, sagte Jeff.
In nächsten Moment erschütterte Donner das Haus und setzte die Katzenklappe in Bewegung. Ich konnte hören, wie sie quietschte und gegen die Maschen der Drahttür schlug. Ich sah Jeff an und überlegte, ob ich mich umziehen sollte, aber plötzlich ließ mich etwas in Wilbertons Miene herumfahren und zur Tür starren.
Da war eine Katze.
Irmas Katze.
Sie war heimgekommen.
Sie stand da, völlig durchnäßt und mit Schlamm beschmiert – schmutzig, dreckig, mit Schlamm beschmiert… das Zeug klebte an ihrem Fell – und ihre Augen glommen wie Feuer. Nur einen Augenblick lang stand sie da, und Bo Wilberton und ich starrten sie an, dann ging sie langsam und unauffällig an mir und Jeff vorbei zu Wilbertons Stuhl. Dort blieb sie stehen. Sie setzte sich direkt neben ihn, lehnte sich vor und ließ etwas auf den Teppich fallen, das wie ein kurzes Stück dicker Zweig aussah. Wilbertons Augen waren weit aufgerissen, so weit, daß sie förmlich aus dem Kopf herauszufallen und neben dem kleinen Ast zu landen drohten. Nur daß es kein Ast war. Es war ein Finger. Ein sehr dicker Finger… mit einem noch dickeren Knöchel.
Ich glaube, wir alle wußten gleichzeitig, was das bedeutete.
Jeff starrte auf die zerfetzte Haut des menschlichen Körperteils und dann auf Wilberton. Dieser sah Jeff an und schien zu schlucken. Dann schaute er auf mich. Und dann an mir vorbei. Das war der Moment, in dem ich erkannte, daß seine Augen bisher gar nicht weit aufgerissen gewesen waren. Jetzt waren sie es. Und sein Gesicht war weiß. Er rollte die Augen und sackte dann zurück
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