Noch nicht mal alleinerziehend
weil man eben nicht funktioniert wie eine richtige Mutter. Dann ist man echt froh, wenn man sich austauschen kann und hört, dass andere dieselben Probleme haben.« Nina schien aufgewühlt zu sein.
»Entschuldige«, sagte Nora schnell und schüttelte grinsend den Kopf. »Ich hatte da nur gleich so ein Bild vor Augen.«
»Und?«, fragte Nina jetzt. »Was gibt’s Neues?«
»Also …«
»Ach, du glaubst nicht, was mir passiert ist«, fiel Nina ihr ins Wort. »Da gehe ich gestern spazieren und treffe diese Yvonne. Du weißt schon, die, die mal in der Galerie gearbeitet hat.«
Nora überlegte. Sie kannte keine Yvonne. Nina hatte jetzt samt Stefan auf dem Arm ebenfalls am Tisch Platz genommen.
»Die hat eine Tochter, die ist zwei Monate älter als Stefan. Matilda heißt die, glaube ich.«
Nora nickte. Matilda kannte sie auch nicht.
»Wir treffen uns also, beide mit Kinderwagen, bleiben stehen, jede guckt sich das Baby der anderen an und wir fangen an, uns zu unterhalten. Über die Geburt …«
Bitte keine Details, flehte Nora innerlich.
»… die Gewichtszunahme, Wasser in den Beinen, über die Zeit nach der Geburt, die Umstellung, Schwangerschaftsgymnastik, Schlafmangel, Kinderkrankheiten – halt so über dies und das.«
»Mmmmh«, machte Nora.
»Dann sind wir bei Ernährung. Ich erzähle, dass ich abstille und schon angefangen habe, Fläschchen zu geben, und dass ich da manchmal pürierte Möhren zugebe. Auf einmal macht die mich voll an: ›Waaaaas? Du fütterst schon Möhren drunter? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein!! Kein Wunder, dass dein Kind Bauchschmerzen hat. Das ist viiiiiiiiiel zu früh! Also, an deiner Stelle würde ich mir das noch mal gut überlegen.‹ Und dann guckt die mich an, so von oben bis unten, und sagt: ›Du, ich muss jetzt dann auch mal. War schön, dich zu sehen. Aber wenn ich du wäre, würde ich das auf jeden Fall noch mal mit meinem Kinderarzt besprechen.‹ Und dann ist sie davon gerauscht. Kannst du dir DAS vorstellen? Die spinnt ja wohl! Jetzt sag doch mal was!« Ninas Stimme war laut geworden und schrill.
Nora schaute sie fragend an. »Äh …«
»Es ist ja nun nicht so, als würde ich mein Kind prügeln oder psychisch misshandeln. O. k., mit Möhren fängt man erst ein bisschen später an, aber meine Mutter hat gesagt, sie hätte uns schon ganz früh welche unter die Milch gegeben, wenn wir so Koliken hatten.« Nina sah Nora mit einem um Verständnis flehenden Blick an.
»Ja, wenn’s geholfen hat …«
»Oh, shit, es ist schon Viertel vor elf. Nora, tut mir leid, aber um elf muss ich mit Stefan beim Kinderarzt sein. Das mit den Koliken lässt mir dann doch einfach keine Ruhe.«
Nora verstand, trank aus, griff Tasche und Jacke und ging zur Haustüre des Einfamilienhauses, das Nina und ihr Mann vor einem Dreivierteljahr gekauft hatten – natürlich mit Garten und Garage.
»Mensch, es war schön, dass du so spontan vorbeigekommen bist. Und noch viel schöner, dass wir uns endlich mal wieder unterhalten haben. Du fehlst mir. Das sollten wir bald wieder machen.« Nina drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Tschüss Nora« Und schon schloss sich die Haustüre vor ihrer Nase. Nora stellte ihre Tasche ab, zog sich ihre Jacke an, holte ihre Sonnenbrille aus der Tasche und dachte: Unterhalten …
Kurze Zeit später saß Nora in ihrem Auto. Es war ein herrlicher Tag, die Sonne schien, und kein Wölkchen trübte den blauen Himmel. Es war ungewöhnlich mild für April. Nora drückte gerade den Knopf, um das Faltdach des Minis ein wenig zu öffnen, als ihr Handy klingelte.
»Hallo?!«
»Nora, ich bin’s, Frauke. Sag mal, du hast dich ja gar nicht zurückgemeldet. Heute ist doch unser Gabriella-Tag. Bringst du jetzt Brötchen und Knabberkram mit, oder soll ich noch mal schnell los?«
»Tschuldige, Süße, ich habe ganz vergessen, dich zurückzurufen, aber für mich war das eh klar. Ich war eben einkaufen und hab alles am Start.«
»Super, dann um 12 Uhr bei mir, ja?!«
»Jaha, ich fahr nur noch mal schnell nach Hause und komme dann gleich zu dir!«
»Gut, dann bis gleich.«
»Ja, bis gleich.« Nora legte auf. Sie schmunzelte. Frauke hatte wie immer alles unter Kontrolle. Dieser Eigenschaft verdankte sie die Spitznamen »Die Patin« und »Frau Rottenmeier«, nach der strengen Erzieherin aus »Heidi«. Nora liebte diesen Charakterzug an Frauke, denn sie war diejenige, die so einfach alles und alle zusammenhielt. Frauke war eine von Noras ältesten Freundinnen. Neben
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