Noch nicht mal alleinerziehend
Zöpfchen geflochten, schmiss sich Nora um die Beine. »Nooooola.«
»Hey, Süße.«
»Hab heute in Kindergarten Burg gebaut – sooooo groß.« Kira streckte beide Ärmchen Richtung Himmel, und ihre blauen Augen, die sie – wie ihre Haarfarbe – definitiv von ihrer Mutter hatte, leuchteten.
»Echt?!«, stieg Nora ein. »Das muss ja mal eine voll krasse Burg gewesen sein!«
»Ja, voll krasch.« Kira strahlte von einem Ohr bis zum anderen.
»Süße, lass mich doch erst mal rein. Guck mal, ich hab ganz viel Kram dabei – und das ganze Zeug ist echt schwer!«
»Komm«, sagte Kira und gab den Weg frei. »Mami, Nola hat schweres Zeug dabei«, rief sie, als sie Richtung Küche stürmte. Frauke kam ihr bereits entgegen. »Na, du bist ja früh«, sagte sie nur und umarmte Nora.
»Boah, ich muss das hier schnell abstellen, das ist superschwer.«
»Schweres Zeug«, wiederholte Kira mit einem Gesichtsausdruck, demzufolge sie mindestens die halbe Last zu tragen schien. Frauke lächelte und schickte Nora dennoch einen missbilligenden Blick zu. Sie mochte es gar nicht, wenn Nora allzu flapsig mit Kira sprach.
»Ja«, fuhr Nora prompt fort. »Da sind Brötchen für uns alle drin, Cracker, Getränke für Erwachsene und Chips – auch für Erwachsene. Und dann hab ich ja noch die Fußwanne dabei.« Nora deutete mit dem Kopf auf ihre rechte Schulter, an der die zweite Tasche mit Wanne hing.
»Und was kriege ich?«, fragte Kira.
»Na, das wollen wir doch gleich mal herausfinden, wenn du mir in der Küche auspacken hilfst.«
»Au ja«, kreischte Kira vergnügt und klatschte in die Hände. Sie half so lange beim Auspacken, bis sie das Überraschungsei gefunden hatte, das Nora für sie gekauft hatte.
»Und?«, wandte sich Frauke an Nora, während sie die Fußwanne in der Spüle auswusch. »Geht’s dir gut?«
»Ach, ich schlage mich so durch, du kennst mich ja«, entgegnete sie und lächelte breit.
»Dafür siehst du aber ziemlich gut aus.« Frauke musterte sie mit ihrem berühmt-berüchtigten Röntgenblick.
»Danke!«, antwortete Nora knapp und so bestimmt, dass Frauke nicht weiter nachfragte. Mit ihren Freunden hielt sie es wie mit ihren Eltern. Über Flirts und Affären sprach Nora nicht, bzw. erst dann, wenn daraus etwas Ernstes wurde. Solange genoss sie im Stillen. Gut, Luna wusste Bescheid, aber anscheinend hatte sie tatsächlich noch nichts rumposaunt, obwohl Diskretion nicht ihre größte Stärke war. Frauke hätte sie anderenfalls direkt darauf angesprochen, Katz-und-Maus-Spiele waren nichts für sie.
Es klingelte. Frauke ging zur Tür, und Nora machte sich daran, den Prosecco kalt zu stellen, die Brötchen auf der weißen Porzellanplatte anzurichten, die Chips und Cracker in Schälchen zu verteilen und die Tomaten und den Mozzarella zu schneiden. Es war Gabriella. »Hola, bonitas!«, hörte Nora sie durch den Flur rufen, bevor sie mit ihren Arbeitsutensilien im Wohnzimmer verschwand. Ein paar Minuten später kam sie mit Frauke zurück in die Küche. »Bonitas, ich brauche einen Kaffee. Oder habt ihr Prosecco?!« Gabriella lächelte herausfordernd. Die linke Augenbraue hatte sie hochgezogen, und ihre fast schwarzen Augen funkelten. »Haben wir – beides«, sagte Frauke und hob beschwichtigend die Hände. Gabriella war normalerweise immer gut gelaunt. »Das Leben ist viel zu kurz für schlechte Laune«, pflegte sie immer zu sagen. Aber zwei Dinge durften bei der Arbeit nicht fehlen: Kaffee und Prosecco. Ansonsten sank ihre Laune Richtung Gefrierpunkt. »Weißt du, ich habe da diese Kundin«, hatte sie Nora einmal mit ihrem stark brasilianischen Akzent erzählt, als die Mädchen keinen Prosecco für ihren Termin besorgt hatten. »Die war in so einer Kur wegen Giften. Ich glaube, auf Sri Lanka. Jetzt trinkt sie nur noch heißes Wasser. Als sie mir nach einer halben Stunde keinen Kaffee angeboten hat – mit dem rechten Fuß war ich schon fertig –, hab ich selbst nach einem gefragt. Schon unmöglich genug. ›Nein, Gabriella, das ist ungesund. Prosecco gibt’s auch nicht mehr. Aber in der Thermosflasche in der Küche ist heißes Wasser mit Ingwer, da kannst du dich gerne bedienen.‹ Geh ich nicht mehr hin zu dieser Frau.« Seitdem stand der Prosecco literweise kalt, wenn Gabriella anrückte. Jetzt warf sie ihre langen schwarzen Locken zurück und griff mit zufriedenem Gesichtsausdruck nach dem Becher Kaffee, den Frauke ihr zusammen mit einem Glas Blubberwasser auf die Küchenbar gestellt hatte.
Es klingelte
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