Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch nicht mal alleinerziehend

Noch nicht mal alleinerziehend

Titel: Noch nicht mal alleinerziehend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dunja M Pechner
Vom Netzwerk:
dir unbedingt jemanden vorstellen!«
    Bärchen kam. »Bärchen, das ist Nora. Nora, das ist René, mein Mann.«
    Bärchen René war so 1,74 groß, trug einen unübersehbaren Rettungsring um die Hüfte und hatte schütteres, dünnes, aschblondes Haar, das die kahlen Stellen seines Schädels bereits aufblitzen ließ. Er trug einen unschönen grauen Anzug, der zu allem Überfluss viel zu kurz und viel zu eng war. Das Jackett ging nicht zu, das weiße Hemd, vielleicht war es auch grau, hatte er straff in die Anzughose gesteckt und diese saß derart eng um den Unterleib, dass Nora selbst angetrunken gleich erkennen konnte, dass Bärchen Linksträger war. Ihr Blick wanderte sofort in sein Gesicht, das speckig glänzte und auf der rechten Wange einen dicken Eiterpickel mit tiefgelbem Köpfchen beherbergte. Am linken Mundwinkel klebte Senf. »Hi Nora, schön, dich kennenzulernen.« Er reichte ihr seine fleischige Hand. Keinen Ausweg in Sicht, nahm Nora sie entgegen. Sie war schweißnass. Nora presste ein freundliches »Hey« durch die Lippen, befreite allerdings umgehend ihre Hand aus seiner und wischte sie an ihrem Kleid ab.
    »Du, Mausezähnchen, da drüben gibt’s Crêpe. Ich stell mich mal an, ja?!«
    »Gut, Bärchen, bleib aber nicht zu lange weg. Lieb dich! Also, Nora, hast du jetzt einen Freund, oder nicht? Wo ist er?«
    »Hab keinen, bin alleine hier.«
    »Oh!« Prisca setzte ein mitleidiges Gesicht auf. »Mensch, das tut mir leid. Aber hey, manchmal geht es schneller, als man denkt. Sieh mich an: Plötzlich stand sie vor mir, die Liebe meines Lebens. Ganz unverhofft! Und heute?« Sie streichelte über ihren Bauch. »Der Richtige wartet schon da draußen auf dich, Nora. Ganz bestimmt. Bis später.«
    Prisca wandte sich um und ließ die sprachlose Nora stehen. Das konnte ja wohl gerade nicht wirklich passiert sein! Ausgerechnet Frittenbuden-Prisca versuchte die Saat der Hoffnung in Sachen Liebe bei Nora aufkeimen zu lassen. Mit so einem Typen im Schlepptau. Hätte nur noch gefehlt, dass sie ein »Toi, toi, toi« hinterherschickte. Dann wäre Nora ihr – schwanger hin, schwanger her – mit den Füßen zuerst in die Visage gesprungen. Eher würde Nora etwas mit Frauen anfangen, bevor sie sich eine solche Schmierwurst an die Seite stellte. Sie kochte vor Wut, setzte die Flasche Prosecco an den Mund und nahm mehrere große Schlucke.
    Als Nora gegen halb sechs mit Luna und Linus im Taxi saß. War sie sehr, sehr betrunken. So betrunken, dass sie noch im Taxi einschlief. Luna weckte sie sanft, als sie vor ihrer Haustüre standen, und lallte. »Baaaby, wir sind suuuhaus. Linus bringt dich hoch, ja?! Bin suu schwach.«
    Linus half Nora die Treppe hoch, schloss ihre Wohnungstür auf, hängte den Schlüssel an das Schlüsselbrett und führte sie ins Wohnzimmer, wo er sie auf die Couch legte und zudeckte.
    »Linus?«
    »Ja?!«
    »Binnisch seltsam?«
    »Du bist vielleicht durchgeknallt und ein bisschen irre. Aber auf keinen Fall seltsam, Nora!«
    Er ging in die Küche und stellte irgendetwas neben dem Sofa ab. »Hier steht ein Eimer, Nora, für den Fall der Fälle. Und eine Flasche Wasser. Hier, schluck die!« Er stopfte ihr eine Tablette in den Mund. »Dann geht’s dir Morgen nicht so schlecht. Schön runterschlucken und jetzt trinken. Gut. Kommst du klar?«
    »Klaaaaaar!«
    »Schön, dann bringe ich jetzt die andere Wahnsinnige nach Hause.«

A m Montagmorgen trat Nora müde und verknittert den Weg in den Hausflur an, um ihren Briefkasten zu leeren. Sie hatte übelste Laune: eine Mischung aus Kater und ungebändigter Wut, die nach Gerechtigkeit verlangte. Was für ein Tag war das gestern gewesen? Und was für Gespräche hatte sie führen müssen? Was maßten sich die Leute eigentlich an? Hatte Nora jemals auch nur im Ansatz ihre Meinung zu deren Leben ungefiltert kundgetan? Niemals! Warum galt nicht mehr gleiches Recht für alle? Was war eigentlich plötzlich passiert? Zu ihrer Wut gesellte sich ein Gefühl tiefer Traurigkeit, gemischt mit Einsamkeit. Sie kannte dieses Gefühl aus einem früheren Leben. Allerdings konnte sie sich auf Anhieb nicht erinnern, wann sie sich zum letzten Mal so gefühlt hatte. Nora kramte tief in ihrer Erinnerung. Klar! Dritte Klasse, Gemeinschafts-Grundschule Bergisch Gladbach. Sie trug diesen Rundhaarschnitt mit Pony, den ihre Mutter gerne selbst nachschnitt, ohne es zu können. Nora war Klassenbeste. Nadine Müller, die im Haus nebenan wohnte und mit der sie aufgewachsen war, hatte damals

Weitere Kostenlose Bücher