Noch nicht mal alleinerziehend
eigentlich den Kopf bedecken sollte. Nora konnte kaum noch sprechen: »Und … für … für … für … für wen ist der? Für … für … Bill oder … oder … oder Tom?« Nora zeigte auf den Hut.
»Ahhhhhhhhaaaaahhhha«, schrie Luna.
»Für beide«, sagte Kiki jetzt scharf. »Das ist ein Stillhut. Wenn man unterwegs ist, im Café oder auf dem Spielplatz, und einer der Jungs hat Hunger, dann zieht man ihnen den auf den Kopf, bevor man sie anlegt. So gafft dir wenigstens nicht jeder auf die Titten, wenn man mal in der Öffentlichkeit stillen muss.« Kiki betrachtete ihre Freundinnen, die sich jetzt aneinander festhielten und sich ihrer Meinung nach völlig hysterisch verhielten. »Ach ihr«, rief sie. »Ihr habt ja keine Ahnung. Partys und junge Lover – na, herzlichen Glückwunsch!« In einer Mischung aus Wut und Selbstironie, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, rauschte sie aus der Garage.
»Oh«, sagte Luna, die als Erste die Fassung wiedererlangte. »Sollten wir uns entschuldigen?«
»Quatsch. Die fängt sich schon wieder. Und überhaupt, wenn sie sich so einen Scheiß wünscht – ›Riding Pants‹ – phhhhh – dann darf sie sich auch nicht wundern …«
Luna griff eine weitere Flasche Prosecco: »Nimm auch eine!« Sie drückte Nora eine in die Hand. »Komm, jetzt sprengen wir hier den ganzen Laden!«
»Luna!«
»Yeaaaaaaah, Baby!«
Als sie aus der Garage traten, fiel Noras Blick auf die Leinwand neben der Haustür. Sie entschloss sich, sich schnell zu verewigen: »Mögt ihr immer den Mut haben, ihr selbst zu sein! In Liebe, die Nora«, schrieb sie mit royalblauer Farbe in die Ecke rechts unten. Sie richtete sich auf, um Luna den Pinsel in die Hand zu drücken, konnte sie aber nicht mehr sehen. Stattdessen blickte sie in ein wohlbekanntes, aber wenig geliebtes Gesicht. Noch mehr Schatten aus der Vergangenheit. »Prisca …«
Prisca lächelte Nora zuckersüß an, obwohl es ein offenes Geheimnis war, dass die beiden sich seit ihrer ersten Begegnung nicht leiden konnten. Prisca, Prisca Klei, die klein, dünn und aschblond war. Mit einer verblüffenden Ähnlichkeit zu Nils Holgersson, der Zeichentrickfilmfigur, die in den 80ern mit den Enten davongeflogen war. Früher war Prisca immer irgendeine Außenseiterin gewesen, die keiner so richtig mochte. Irgendwann hatte sich das Blatt dann gewendet. Nur Nora hielt an ihrer Meinung fest. Sie konnte diese Frau einfach nicht leiden. Und nicht nur, weil Prisca früher immer irgendwie nach Frittenbude gerochen hatte. Nora hätte schwören können, dass dieser Duft sie nie ganz verlassen hatte, auch wenn sie heute eine erfolgreiche Staatsanwältin in Koblenz war. Warum Nora sie tatsächlich nicht leiden konnte, lag daran, dass Prisca grundsätzlich immer die Typen angemacht hatte, die Nora »mein Freund« nannte. Jakob und André. Die Art und Weise, wie offensiv Prisca sich ihren Freunden damals anbot, fand Nora einfach nur billig. »Die muss man ja nicht mal auf ein Glas Wasser einladen«, lautete ihr Urteil. Und so hatte Prisca immer dafür gesorgt, dass Nora und Jakob oder Nora und André regelmäßig Stress ihretwegen hatten. Als Nora dann Tobi traf, sie war damals knapp 26 gewesen, wähnte sie sich sicher vor Prisca, schließlich gehörte Tobi nicht zu ihrem Freundeskreis. Keine Schnittmenge also mit Prisca. Weit gefehlt. Die beiden liefen sich in der Uni Köln über den Weg. Prisca, die Tobi wohl mal mit Nora in der Stadt gesehen hatte, sprach ihn natürlich gleich an. Und seitdem hinterließ sie in regelmäßigen Abständen Nachrichten auf Tobis AB , später auf Noras und Tobis AB . Gut, Prisca hatte das nicht nur mit Noras Freunden so gemacht. Sie hatte so ziemlich mit jedem geschlafen, der Nora einfiel, oder es zumindest versucht. Die billige Kuh. Nein, mit Prisca würde Nora in diesem Leben keinen Frieden mehr schließen. Unmöglich.
»Wie geht’s dir?«, flötete Prisca
»Danke, gut!«, sagte Nora. »Und dir?« Sie deutete mit der Proseccoflasche in ihrer rechten Hand auf Priscas Bauch. Natürlich war ihr nicht verborgen geblieben, wie demonstrativ diese ihren hochschwangeren Bauch streichelte.
»Super, das Schönste, was ich je erlebt habe! Hast du einen Freund?«
»Warum? Hast du noch nicht genug?«
»Nora, ich bin doch jetzt eine ehrbare Frau. Ich habe vor einem Jahr geheiratet.«
Fast bewundernswert, dieses unkritische Selbstbewusstsein, dachte Nora, als Prisca rief: »Schatz?! Schaaaatz?! Bärchen, komm doch mal her. Ich möchte
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