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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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Einsatz aller erlaubten Mittel, wie Musik, Tanz und Kostüm, vortragen muss. Die Gruppe, für deren Religion sich am großen Finaltag die meisten Schüler entscheiden, hat gewonnen. Supi! Dabei sollten auch Naturreligionen, alle Götterwelten und die zauberhaften Weltentstehungsmythen auf dem Lehrplan stehen, denn sie üben auf das kindliche Gemüt einen besonderen Reiz aus. Ich kann mich gut an die Faszination erinnern, die Manitu und die ewigen Jagdgründe in mir entfesselten, als meine Brüder mich an den Marterpfahl banden. In meinem ersten Asterix lernte ich die heiligen Männer der Kelten kennen, und die Druiden waren mir auf der Stelle sympathischer als die schwarz gekleideten Männer in unseren frostigen Kirchen. Erst recht in den Bann zogen mich einige Jahre später die indischen Gottheiten Shiva und Shakti, wenn sie in vollkommener sexueller Vereinigung dargestellt waren. Dagegen sträubten sich meine Nackenhaare, als ich von den Kreuzzügen, der Inquisition und den Hexenverbrennungen der Christen erfuhr. Solch einem Verein wollte ich gar nicht angehören, die hatten ja offenbar ihre eigenen Spielregeln nicht kapiert. Meine Eltern hielten sich in diesen Fragen stets bedeckt. Meine Mutter war so sehbehindert, dass sie in der Kirche nicht sah, wo das Kreuz hing, dafür wusste sie aber, wie man Deserteure vor den Nazis versteckt. Und Papas katholische Erziehung muss schlimm gewesen sein, denn er resümierte seine Erfahrungen in nur einem Satz: »Nimm dem Pastor das Gehalt und du siehst ihn auch nicht mehr in der Kirche.« Dennoch lehrte er uns, allen Kreaturen – auch Gläubigen – Toleranz, Verständnis und Respekt entgegenzubringen. Als bei uns zu Hause der Pfarrer aufkreuzte, um sich über meine Brüder zu beschweren, die in der Kirche Kracher gezündet hatten, erklärte er uns anschließend die Funktion der Kirche als eine Art seelischer Notaufnahme, in der Leuten geholfen wird, denen es schlecht geht und die inneren Frieden suchen. Mehr religiöse Aufklärung war seinerseits nicht drin, und die Schall- und Echoexperimente verlegten die Jungs anschließend in Tunnels, denn Frieden gehörte in unserer Familie zu den höchsten Gütern.
    Warum kann der Wechsel einer Religion nicht ebenso unkompliziert sein wie der einer Sportart? Im Sport wird man ja auch nicht gezwungen, sein Leben lang Schlitten zu fahren. Man kann alles ausprobieren, jederzeit die Turnhose gegen Fußballschuhe tauschen und sogar mehrere Sportarten gleichzeitig ausüben. Man darf sogar an seinen Leistungen Freude haben und Erfolge erzielen, während man als gebürtiger Christ das Gefühl nicht loswird, lebenslang in der A-Jugend zu spielen und immer das arme Schäfchen zu bleiben, dem von Zeit zu Zeit der Kopf zurechtgerückt werden muss. Die deutsche Kirche lässt uns nicht mal in den Genuss kommen, das freiwillige Geben zu genießen. Sie hat den Mitgliedsbeitrag schon abgezapft, bevor man sein Gehalt überhaupt in die Finger bekommt. Menschliche Schwächen, wie unfaires Verhalten und Fouls, werden im Sport durch Platzverweis und Spielsperren geahndet, aber doch nicht mit einer lebenslänglichen roten Karte wie bei der Exkommunizierung.
    Angesichts derartiger Vorstellungen kommt mir die Religion vor wie ein in die Jahre gekommener Patient, der das Wartezimmer nicht mehr verlassen will. Längst hat die Wissenschaft viel Licht ins Dunkel gebracht, und hätte es zu Prophetenzeiten schon den DNA-Test für Joseph oder einen Dopingtest für Mohammed gegeben, wäre die Religions-Olympiade vielleicht anders ausgegangen. Menschen, die beim Ringkampf mit Gut und Böse Fehler machen, sind mir näher als solche Vertreter, die vorgeben, den besten Draht zum Oberchef zu haben und auf alles die einzig richtigen Antworten zu wissen, inklusive Jungfrauengeburt und Märtyrertod. Das ist angesichts des Schicksals von Galileo Galilei, des Päderastentums in Priesterkreisen und der Erkenntnisse der Quantenphysik genauso uncool wie ein Schwitzverbot in der Sauna. Nun hat der Papst auch noch die Vorhölle abgeschafft. Mein Gott, was denkt er sich dabei? Das war doch eine gut funktionierende Einrichtung. Auf diese Geisterbahn haben wir uns doch immer besonders gefreut und dafür regelmäßig Kirchensteuer gezahlt. Zudem hat er unlängst bei einem Besuch in Brasilien den Ureinwohnern klargemacht, dass sie freiwillig sowieso nicht gerne weitergelebt hätten, und dass ihnen deswegen die Christianisierung auf die Schüppe geholfen hat. Wer so was abseiht, braucht

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