Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
bauen wollen, in dem weniger geheizt werden muss und das Solarzellen auf dem Dach hat, um fossile Brennstoffe zu sparen, das alte abreißen, wir müssen den todkranken Baum, der droht, Kinder auf dem Spielplatz zu erschlagen, fällen und Gewalt gegen Personen ist oft genauso angebracht. Der Einbrecher, der meine Frau im Schwitzkasten hat, um ihr das Versteck der Familienjuwelen abzupressen, muss damit rechnen, dass ich ihm die Familienkuckucksuhr auf die Rübe haue, um ihn dann den Staatsorganen zu übergeben, die ihm wiederum präventiv Handschellen anlegen und einlochen, irgendwo ja auch ein Stück weit Gewalt ... genug, ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Ich habe die Kriegsdienstverweigerung übrigens nicht deswegen verweigert, weil ich ein Kriegsfan bin, sondern weil mir bis heute kein Gegenargument zu folgender Feststellung untergekommen ist: Es hat einen Aggressor noch nie davon abgehalten, Menschen anzugreifen, die sich nicht verteidigen können. Was sollte ihn also davon abhalten, Menschen anzugreifen, die sich nicht verteidigen wollen?
Nach meiner Einschätzung können wir an real existierender Gewalt nichts ändern, sie belastet uns oft genug, ähnlich wie die Sexualität, und deswegen ist sie auch ein ähnlich großes Thema in der Kunst, vor allem in der komischen.
Das klassische Grundmotiv für den – zwar heutzutage nicht mehr politisch, zumindest aber emotional – korrekten Einsatz von Gewalt in der Kunst (Buch, Film, Comic) ist die Bestrafung eines Bösewichts. Wer gerade der Oma die Handtasche geklaut hat, kann uns keine größere Freude machen, als dass a) ein deutscher Schäferhund sich in seinem Hintern verbeißt, b) ein Kind ein Säckchen Murmeln in seinen Laufweg streut, sodass es ihn spektakulär hinhaut, c) eine Frau ihn mit oder ohne Schirm ausknockt.
Die Argumentation, der hat das ja verdient und nur deswegen lache ich über sein Unglück, bricht natürlich spätestens angesichts der Sturzflut von ›my funniest homevideos‹ oder 90 Prozent des YouTube-Angebotes oder auch jeder ›Versteckte Kamera‹-Ausgabe in sich zusammen, wo ja völlig unschuldige Menschen leiden müssen, was sie im Übrigen von Herzen gerne tun, wenn sie feststellen, dass ihnen dabei Millionen Menschen zuschauen. Hatte also W. C. Fields recht, als er sagte, Humor entwickele sich immer aus dem Schaden anderer, oder ist es noch schlimmer: Hatte Freud recht, als er das Lachen u. a. als kompensierte Aggression bezeichnete? Wenn es so ist, plädiere ich für möglichst viele komische Erzeugnisse, in denen irgendwer Schaden nimmt, weil das Lachen darüber Abfuhr der eigenen Aggressionen bedeutet. Gewaltdarstellung im Film wird von Pädagogen nahezu unisono abgelehnt mit der Begründung, Kinder unter sieben Jahren könnten noch nicht zwischen Fiktion und Realität trennen, somit könnten sie desensibilisiert werden bzw. lernen, Gewalt als legitim zu empfinden, dasselbe gelte für labile Erwachsene. Mag alles sein, ist sicher auch ungut, aber man kann ja auch noch andere Dinge lernen. Nehmen wir die eindrucksvolle Szene aus Casino Royale, wo der großartige Daniel Craig bei seiner ersten James-Bond-Verkörperung von dem ebenso großartigen Bösewicht Madds Mikkelsen auf höchst spektakuläre Weise gefoltert wird: Einem Stuhl wird die Sitzfläche entnommen, der nackte, gefesselte Bond in den verbliebenen Rahmen gesetzt und bekommt nun mit einem dicken Schiffstau mit noch dickerem Knoten am Ende die Klöten poliert. Zugegeben, ich hatte, als ich das sah, aus einem Interview mit Craig die Vorinformation, seine Kronjuwelen seien durch eine Plexiglasscheibe geschützt gewesen und sie hätten sich beim Drehen amüsiert wie Bolle. Ob die Szene so wurde, weil sie so lachen mussten, oder ob das von vornherein im Buch stand, weiß ich nicht, jedenfalls kriegt Bond während der Tortur einen Lachflash. Und das ist doch auch mal etwas, was sich lohnt, gelernt zu werden: über Unbill lachen können. Die Shaolin und andere Mentalriesen lernen über Jahre, Schmerz ungerührt hinzunehmen, aber wenn man auch noch dabei lacht, macht das den Aggressor doch richtig fertig! Viele Väter gehen übrigens unbewusst diesen pädagogischen Weg: Wenn ihr Kind sich die Omme am Tischbein stößt und anfängt zu heulen, sagt Papa: Aber Mäuschen, nicht weinen, tut doch gar nicht weh, guck mal, Pappa macht es auch, dann haut er mit dem Kopf ans Tischbein und lacht, mehrmals, so lange, bis das Kind auch lacht. Und schon hat es gelernt: Schmerz tut
Weitere Kostenlose Bücher