Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
Vom Netzwerk:
haben würde, schöner, perfekt eben. Er glaubt, wenn dieses Problem behoben wäre, würde das Füllhorn des Glücks nie mehr zu sprudeln aufhören. Der Psychologe spricht von Dysmorphophobie. Das ist natürlich Unsinn. Nehmen wir Thomas Gottschalk, Mike Krüger und Steffi Graf, alle drei Menschen mit einer wirklich großen Nase, auf der bequem mehrere Greifvögel nebeneinander Platz hätten. Trotzdem können alle drei bereits jetzt auf eine tolle Lebensleistung zurückblicken und privat steht auch alles zum Besten. Die Nase war also kein Hinderungsgrund. Als Kinder sind sie vermutlich oft gehänselt worden, aber geschadet hat es ihnen nicht. Sie kennen vielleicht den Film Roxanne, mit Steve Martin, in dem 26 Scherze über eine große Nase vorkommen, Jokes wie: »Was ist passiert, haben Ihre Eltern eine Wette gegen den lieben Gott verloren?« »Geht in Deckung, Leute, ich glaube, da braut sich ein Niesen zusammen.« Oder die geheuchelte Hilfsbereitschaft: »Wissen Sie, Sie müssen einfach optisch von der Nase ablenken, indem Sie etwas Auffälliges tragen, den Eiffelturm vielleicht.« Oder wenn Sie das erste Mal mit jemandem verabredet sind, der einen Riesenzinken hat, können Sie sagen: »Hey, o. k., Ihre Nase war pünktlich, aber Sie waren zu spät.« Oder wenn es dann intim wird: »Da wären wir also, nur wir drei.«
    Oder das geheuchelte Kompliment: »Sie sind zu beneiden, Sie tragen ein tolles Parfüm und können sich selbst am Ohr schnüffeln.« Oder: »Sie könnten mit Pornos Millionen machen!« Oder: »Der Herr hat’s gegeben und er hat einfach nicht mit geben aufgehört.« Der Trick ist: Saugen Sie Honig aus Ihrem Rüssel, im übertragenen Sinne, kommen Sie den anderen zuvor, sammeln Sie all die Nasengags und machen Sie sie selber: »Ich mache nie Urlaub am Meer, womöglich beeinflusst mein Zinken Ebbe und Flut, ich rieche auch nie an Blumen, weil die sich dann wahrscheinlich vor Angst ins Töpfchen machen würden ...« usw. Vermutlich reicht aber schon ein einfaches: »Hat mal jemand ein bisschen Koks da?« Sie sehen, bevor man die Hilfe eines Schönheitschirurgen in Anspruch nimmt, sollte man vielleicht einen Gagschreiber konsultieren, der einem hilft, aus einer kleinen körperlichen Besonderheit soziales Kapital zu schlagen und Partykönig/in zu werden.
    Manches regelt die Natur auch von selber. Glatzen bei jungen weißen Menschen waren vor einigen Jahren noch etwas Aufsehenerregendes. Man fragte sich: sind die kahl geboren worden oder sind die Haare erst später ausgefallen und wenn ja, nacheinander oder alle auf einmal? Oder man dachte an die Folge einer Chemotherapie, oder – schlimmer noch – man mutmaßte, dass unter der verpickelten Schädeldecke nationalsozialistisches Gedankengut schlummerte. Mittlerweile gehen den meisten Mittzwanzigern die Haare aus, auch um die Potenz ist es ja bei jungen Männern dramatisch schlecht bestellt, Umweltgifte sollen daran schuld sein, wie auch immer, viele treten die Flucht nach vorn an und wählen den Bruce-Willis-Look, und plötzlich sieht es auch bei Weißen cool aus und man läuft mit seinen Glatzengags ins Leere. Dinge wie: »Hey, in diesen schweren Zeiten, wo wir alle den Gürtel enger schnallen müssen, sind Sie ein echter Glückspilz, Bohnerwachs ist billiger als Shampoo.« »Toll, Sie wirken immer furchtlos, Ihnen können nie die Haare zu Berge stehen.« Oder: »Sie haben es gut im Winter, Sie können Schneeflocken hören.« Oder die Mutter aller Glatzenwitze: »Hey, ich habe einen Job für Sie: Deoroller bei King Kong.« Oder: »Sie sollten in Südfrankreich Urlaub machen, Sie haben bei einem Waldbrand nicht viel zu verlieren.«
    Elton John hätte sich die 25.000 Dollar, die seine Haartransplantation angeblich gekostet hat, also sparen und sich dafür noch ein paar Brillen bei Fielmann kaufen können.
    Die Schönheitschirurgie bringt viel unnötiges Leid über die Menschen, vor allem über die armen Kerle, die für den Unsinn blechen müssen und anschließend aus allen Wolken fallen, wenn sie das Ergebnis sehen. Ich denke, der Moment, in dem die Binden abgenommen werden, hat viel gemeinsam mit dem Auspacken von selbst gebastelten Geschenken zu Weihnachten oder dem Öffnen von Babywindeln: Man weiß nicht ganz genau, was man gleich sehen wird, kann sich aber ziemlich sicher sein, dass es einem nicht gefällt. Ich rede hier nicht von dem Versuch, die Folgen eines Unfalls optisch erträglicher zu gestalten oder Ähnlichem, sondern von Frauen oder Männern,

Weitere Kostenlose Bücher