Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
ausgezogen würden. Und ein Tipp wurde noch gegeben: Chirurgen sollten sich vor dem Eingriff unbedingt die Zeit nehmen, sich zu fragen: Richtiger Patient, richtige Seite, richtige OP?
Ich ertappe mich häufig dabei, wie ich im kleinen Kreise von Dingen erzähle, die mir Ärzte angetan haben, das ist nicht untypisch für Menschen, die keinen Krieg mehr erlebt haben. Ein Kölner Zahnarzt, dessen Namen und Adresse ich gnädig verschweige, überredete mich dazu, mir bei neun Zähnen auf einmal die alten Amalgamfüllungen, die angeblich so schädlich waren, was, wie sich später herausstellte, in einem Bereich liegt, der statistisch nicht erfassbar ist, durch die just in Mode gekommenen Keramikinlays zu ersetzen. Leider beherrschte er diese neue Technik nicht, sodass alle neun innerhalb von sechs Wochen zerbrachen, zudem entzündete sich ein Zahn dergestalt, dass man ihn ziehen musste, obwohl er sich nicht mehr betäuben ließ. Dabei lernte ich, wie man eine Jeans an den Beinen durchschwitzt. Überflüssig zu erwähnen, dass es dem Dentisten trotz bester Absicht nicht gelang, den Zahn vollständig zu extrahieren, was ein Kollege wenig später bemerkte und behob. Vergleichsweise unspektakulär verlief meine erste Darmspiegelung, man teilte mir anschließend mit, alles wunderbar, das, wonach man suchte, nämlich die Quelle meiner Magenblutung, habe man nicht gefunden, dafür aber Polypen, die man bei einer möglichst bald anzusetzenden weiteren Darmspiegelung entfernen müsse, um sie auf Krebs zu untersuchen. Jeder von Ihnen fragt sich jetzt, was ich mich und den Professor auch fragte, warum er die Dinger nicht gleich entfernt habe? Nun, wurde mir beschieden, da hätte ich vorher eine Einverständniserklärung unterschreiben müssen. Überflüssig zu erwähnen, dass man mir die vorher nicht gezeigt hatte, ich hätte sie womöglich unterschrieben und der wackere Medizinmann nur eine Untersuchung abrechnen können. Dass Ärzte nur an Geld denken, stimmt sicher so nicht, aber ein Chirurg entfernte mir mal ein Aterom, vulgo Grützbeutel, aus der Brust, ohne einmal hinzusehen, denn er erörterte währenddessen angeregt mit einem Kollegen die himmelschreiend schlechte Bezahlung dieser Maßnahme, er nähte übrigens die Wunde auch blind, was seine Wirkungsstätte anschließend aussehen ließ, als wäre ich Opfer einer Axtattacke geworden. Bliebe noch zu erwähnen, dass er bei der Entfernung der Fäden die Hälfte übersah, die sich postwendend entzündeten und von einem Kollegen semioperativ entfernt werden mussten, der mir dann auch noch einmal versicherte, eine solche Naht habe er noch nie gesehen. Ich bin der ärztlichen Kunst gegenüber keinesfalls negativ eingestellt, im Gegenteil, probiere auch gern alles aus, wie zum Beispiel Akupunktur gegen meine Birkenpollenallergie. Gut, sie hat nicht geholfen, tut dafür aber an zwei Stellen ziemlich weh, aber was mir erspart blieb, las ich kürzlich im Spiegel, ich zitiere: »Vor dem Stich in die Tiefe ist kein lebenswichtiges Organ geschützt. Ganze oder abgebrochene Akupunkturnadeln wurden schon im Rückenmark und im Kleinhirn, im Nierenbecken oder in der Blasenwand von Patienten gefunden. Am häufigsten erwischt es jedoch die Lunge: Wer denkt schon daran, dass die Brustkorbwand nur 1,7 cm dick ist und man in null Komma nichts die Lunge nadelt, warnte kürzlich das Ärzteblatt ›Medical Tribune‹.
Ich will fair bleiben, die Chancen, dass ärztliche Kunst bei Krankheit zu Linderung oder gar Heilung führt, stehen weit besser, als die auf einen Sechser im Lotto, liegen mindestens bei 50 Prozent, sie müssen nicht an einen Arzt geraten, wie den, der einst im Mai bei mir eine leichte Halsentzündung diagnostizierte, »nicht der Rede wert«, die sich dann als Abszess entpuppte, und zwar – das wird Sie jetzt nicht überraschen – ein Riesenteil laut Aussage des Notfallchirurgen, der ihn aufschnitt und mir den guten Rat mit auf den Weg ins Zimmer gab, besser die Nacht auf dem Bauch liegend zu verbringen, wegen etwaiger Nachblutungen.
Trotzdem kann es nicht schaden, sich als Patient eine gewisse Zockermentalität zuzulegen, was dem Ganzen a) etwas Spielerisches verleiht, b) unter Umständen aber auch zur Heilung führen kann, wenn man nämlich beschließt, eine Behandlung abzubrechen und zur Tagesordnung überzugehen in der Hoffnung, die Dinge werden sich dann von selbst einrenken. So wurde mir einst, als ich morgens den linken Arm nicht mehr heben konnte, ein Kapselsyndrom
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