Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Karosserie, geschweige denn an ihren nächsten TÜV-Termin zu denken. 400-prozentige Gesundheitsexperten lassen uns wissen, dass wir uns so absolut falsch wohlfühlen und mit dieser Lebensweise riskieren, eines Tages krank zu werden. »Aber was riskiere ich nicht ständig?«, fragen sich die meisten. »Job, Ehe, Leben, Führerschein, da macht die Gesundheit den Braten auch nicht fetter.« Diesen Anhängern der Bequemlichkeitssekte könnte das Problem vielleicht verständlicher werden, wenn Heidi Klum und Ulla Schmidt die Rollen tauschen würden. Heidi bringt der rundlichen Polit-Elite im Bundestag bei, wie man die Speckröllchen im Zaum hält, während Ulla mal die italienische Haute Couture über den bundesrepublikanischen Laufsteg chauffiert. Übertragen als Mini-daily-Soap in der Tagesschau wird das sicher ein Renner. Vielleicht geraten dann diejenigen, für die das Thema Gesundheit mit dem Kauf einer schicken Jogginghose erschöpfend behandelt ist, ja doch ins Grübeln, wenn sie sich darüber klar werden, dass unsere Gesundheitsreform ihre möglichen Krankheitskosten so wenig abdeckt wie ein 36er Gucci-Bikini die Ulla. Besser, Sie bleiben möglichst lange beim Lachen, dann kann der Arzt in Ruhe auf Sie warten.
ER Krankheit
Männer sind nicht einfach krank, wir sind die krankesten Wesen, an denen je heilende Hände herumfuhrwerkten. Und selbst wenn sich herausstellt, dass uns nichts fehlt, wird der Arzt, wenn er denn ein Mann und sich dessen auch bewusst ist, sagen: Einen Gesunden mit derartig echten Krankheitssymptomen habe ich noch nie gesehen. Ich kann bei diesem Thema aus einem recht reichen Erfahrungsschatz schöpfen, vermutlich einem der reichsten überhaupt, und darf mich auch einiger Bestleistungen rühmen. So kam ich z. B. bereits mit je einem doppelten Hoden- und Leistenbruch auf die Welt, von denen dann später nur noch der linksseitige Leistenbruch operiert werden musste. Das heißt, 75 Prozent meiner Brüche habe ich aus eigener Kraft geheilt. Nach meiner Hämorrhoidenoperation bescheinigte mir der Arzt, das seien aber »wirklich ein paar Klopper gewesen«, wie er sich ausdrückte, nach meiner Mandeloperation erklärte der Kollege gar, das seien die größten Mandeln gewesen, die er je gesehen habe. Allerdings war der Mann Japaner, die kennen ja nur Kleinkaliber. Ein gebildeter Kranker wie ich weiß natürlich am besten, was ihm fehlt, das meiste hat man ja schon mehrfach gehabt, das verschafft einem gegenüber dem Arzt einen deutlichen Informationsvorsprung, was Diagnostik und Medikation angeht, was der Weißkittel natürlich nie zugeben würde, das ist mit seinem Standesdünkel nicht vereinbar. Standardantwort, wenn Sie dem Arzt gerade erklärt haben, was geschossen wird, ist meist: Ja ja, das, was Sie da sagen, ist eine oft gehörte Laienmeinung. Für einen jungen leidenden Menschen ist ein blindes Urvertrauen dem Arzt gegenüber durchaus hilfreich. Das Gefühl: Ich bin in kompetenten Händen, jetzt wird alles gut, mag dem Heilungsprozess durchaus förderlich sein, eine Art personalisierter Placeboeffekt, wenn man aber einige Male an einen Kurpfuscher geraten ist, sieht die Welt natürlich anders aus. Man bildet sich weiter, um beim nächsten Mal den Anfängen wehren zu können, aber das ist natürlich ein langer, dorniger Leidensweg, den man als Patient dann geht, immer hin und her geworfen zwischen Misstrauen und Hoffnung. Wobei im Übrigen auch Gespräche mit Mitpatienten in Warte- oder Krankenhauszimmern nicht von dem Wunsch getragen sind, einander Stab und Stütze zu sein, sondern meist auf einen ›Pissing contest‹ hinauslaufen, wie die Amerikaner das nennen. »Jetzt probieren die schon das dritte Antibiotikum an mir aus und die Entzündung geht und geht nicht zurück.« »Mir brauchen Sie nichts zu erzählen, ich hab mal drei Monate mit der Lunge gelegen, bis die das in den Griff gekriegt haben.« Und wenn der Gesprächspartner selbst keine einschlägigen Erfahrungen vorzuweisen hat, dann sicher ein naher Verwandter: »Ich will Sie nicht beunruhigen, aber mein Vetter ist letztendlich an der Sache gestorben.«
Einer Pressemeldung entnahm ich unlängst, dass pro Jahr 17.000 Patienten an vermeidbaren Fehlern bei Krankenhausbehandlungen sterben, die Dunkelziffer war vorsichtshalber gar nicht erst erwähnt. Es war dann in dem Artikel auch von Schoten die Rede, die täglich im OP passieren, z. B., dass Operationsmarkierungen auf Thrombosestrümpfe gemalt würden, die dann vor der OP
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