Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
bescheinigt, eine Spritze gesetzt, die den Schmerz weitgehend beseitigte, jeder Kraftsport verboten, dafür auf unbestimmte Zeit Krankengymnastik verordnet. Nach einem halben Jahr und drei verschiedenen Fachkräften, von denen jede die Methode der Vorgängerin für kompletten Humbug erklärt hatte, konnte ich nicht einmal mehr schmerzfrei an einer Reckstange hängen. Ich erklärte die Behandlung für beendet und nahm mein sanftes Krafttraining wieder auf, nach einem Monat war alles bestens.
Ein abschließendes Wort vielleicht noch zum Mann als ans Bett gefesselter Patient. Er gilt, vor allem nach Frauenmeinung, als schwierig. Das kommt nicht daher, dass er unter der Krankheit leidet, den Schmerzen, dem Fieber und allem anderen, er leidet in erster Linie unter dem Verlust seiner Leistungsfähigkeit. Während ich hier liege, von einem blinden, erbarmungslosen Geschick aufs Lager gestreckt, rückt irgendein armer Idiot, der zufällig und unverdient gesund ist, einige Plätze auf der Hackordnung vor, ohne dass ich das verhindern kann. Diese Vorstellung und nur sie ist es, die den kranken Mann wirklich leiden lässt. Dieses gilt im Übrigen nur für leichte Erkrankungen wie Grippe oder eine Erkältung. Ein schwer kranker Mann geht seiner Arbeit nach, als ob nichts wäre. Wie viele Shows habe ich schon nahezu komatös bestritten und die Zuschauer wussten es nur, weil ich ihnen vorab ein kurzes, aber umfassendes Bulletin lieferte, und das gilt für jeden Histrioniker, wie die Psychologie uns verrückte Zirkuspferde nennt. Wir lassen uns nur vom Tod daran hindern, eine Show zu machen. Im Alter von vier Jahren kam ich mit Diphtherie ins Krankenhaus und las den anderen Kindern aus dem Struwwelpeter vor. Ich kannte ihn auswendig, weil meine Mutter mir jeden Abend daraus vorlas. Ich tat nur so, als ob ich lesen könnte, a) weil ich unbedingt lesen können wollte, b) weil es eine gute Show für einen Vierjährigen war. Die anderen Kinder haben lange nichts gemerkt, bis einem auffiel, dass ich das Buch mal aus Versehen verkehrt herum hielt. Ein Kunstfehler, wie der Arzt sagen würde.
SIE Freunde
Freunde zu haben ist gar nicht schlimm. Manche meinen ja, es sei die Pest, aber das finde ich übertrieben. Ausschlag vielleicht. Sicher, wenn man sie braucht, sind sie nicht da, und wenn man seine Ruhe haben möchte, kommen alle auf einmal. Aber man sollte fairerweise auch die guten Seiten von Freundschaft sehen. Man kann schließlich in fremde Berufsbilder hineinwachsen wie z. B. den Pannen- und Abschleppdienst. Sehr wichtige Accessoires dafür sind Wagenheber, Abschleppseil, Überbrückungskabel und Kontaktspray. Diese Dinge habe ich jetzt grundsätzlich immer dabei, wenn ich zu einem Einsatz eile. Wie nützlich auch ein voller Reservekanister ist, weiß ich, seitdem das letzte Abschleppmanöver durch Spritmangel abrupt endete. Mein Freund rief deshalb noch einen Freund an, der sich dann einfach an die Spitze des Abschlepptrosses setzte und uns beide auf einmal mit achtzig Sachen von der Autobahn zog. Zum Glück war es spätnachts und Neumond, denn im Nachhinein bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob das überhaupt erlaubt ist.
Beim Renovieren und Umziehen hab ich es, unter fachlichen Gesichtspunkten gesehen, ziemlich weit gebracht. Was eines Tages harmlos mit der Hilfe beim Tapetenabreißen begann, hat bei mir inzwischen zu einer fast meisterlichen Reife beim Auf-Kante-Kleben, Blasenstechen und Faltenwegbürsten geführt. Neulich rief ein Freund an und fragte, ob ich ihm nicht schnell mal den Tacker und die Bohrmaschine vorbeibringen könnte. Zehn Minuten später war ich da. Er hatte gerade sein verwinkeltes Arbeitszimmer unterm Dach frisch tapeziert. Einige Bahnen in der Schräge hatten sich wieder abgelöst und hingen von der Wand herunter. »Die Tapete ist zu schwer«, schimpfte Rainer. Das war allerdings auch für mich ein völlig neues Problem. Dafür brauchte er also einen Tacker. Der ging aber nicht auf Stein. Also versuchten wir die Klebewirkung zu optimieren und schmierten Pattex auf die schräge Wand. Aber Kleister und Kleber schienen sich nicht besonders zu mögen und hinterließen gelb-grünliche Flecken auf der weißen Textiltapete, die nach zwei Minuten wieder abschlaffte. Als Nächstes probierten wir farblosen Sekundenkleber aus, mit dem Resultat, dass die Tapetenbürste, mit der wir kräftig dagegendrückten, bombenfest an der Wand kleben blieb. Bei dem wuchtigen Versuch, sie mit dem Hammer wieder loszuschlagen,
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